Elizabeth die Letzte - für Großbritannien endet eine Ära

London. "Nicht ohne meine Corgies", das – so scherzen Kritiker des britischen Königshauses – wäre ein angemessener Titel für einen Hollywood-Film über das Leben Königin Elizabeths, die am Donnerstag im Alter von 96 Jahren gestorben ist. Doch wer das Oberhaupt des Hauses Windsor auf eine Vorliebe für walisische Fellnasen reduziert, der greift zu kurz. Die am längsten dienende Monarchin der britischen Geschichte war die letzte ihrer Art. Ein pflichtbewusster, stets in sich ruhender Mittelpunkt einer Familie, die sich kaum mehr von der Durchschnitts-Mischpoke auf der Insel unterscheidet: Ehestreitigkeiten, Scheidungen, vermeintlich oder tatsächlich missratene Kinder und Enkel, Schwiegertöchter und -söhne, reichlich bucklige Verwandtschaft. Lediglich die Queen selbst schaffte das Kunststück, der Krone etwas vom mystischen Glanz zu erhalten, der sie zu Zeiten ihrer Ururgroßmutter Victoria umgab. Auch im biblischen Alter hielt die Königin an ihrem ambitionierten Arbeitspensum fest, so an der wöchentlichen Audienz für den Premierminister. 15 Regierungschefs hat sie in ihrer Amtszeit erlebt. Vom legendären Winston Churchill über die eiserne Lady Margaret Thatcher, bis zu Boris, dem Clown und seiner Nachfolgerin Liz Truss. Öffentliche Meinungsäußerungen waren selten Direkten Einfluss auf die Regierungsgeschäfte darf der Regent in Großbritannien nicht nehmen. Daran hat sich die Queen stets gehalten. Öffentliche Meinungsäußerungen waren selten. So betonte sie während der Unruhen in Nordirland ihre Solidarität mit der dortigen, von Frauen vorangetriebenen Friedensbewegung, und im Vorfeld des Glasgower Klimagipfels rief sie die Verantwortlichen zu engagierterem Handeln auf. Sie sei "genervt von denen, die reden aber nicht handeln", sagte die Königin im Gespräch mit Abgeordneten. Aus der Republik Irland, die die Queen als erster britischer Monarch seit 100 Jahren 2011 bereiste, stammt eine Anekdote, die ihren Humor widerspiegelt. Elizabeth besuchte damals den English Market im Städtchen Cork. Fischhändler Pat O`Connel erzählt: "Da steht diese kleine Frau vor meinem Stand und fragt, was das denn für ein hässlicher Fisch sei, mit großem Maul und spitzen Zähnen". Dann grinst der schlanke Hüne: "Ma'am", habe ich gesagt, "wir nennen ihn Schwiegermutterfisch". Da hat die Queen aus voller Brust gelacht, was ein Foto am Fischstand von Pat O'Connel seitdem belegt. Der hässliche Fisch war übrigens ein Seeteufel. Elizabeths Scheitern nach dem Tod Dianas Ein Leben lang hat Elizabeth II. versucht, Brücken zu bauen. Vieles ist ihr gelungen, wie mit dem auf Versöhnung ausgerichteten Besuch in Irland, manchmal ist sie gescheitert. Überraschend deutlich nach dem Unfall-Tod von Prinzessin Diana 1997. Die damals allem Anschein nach zur Trauer unfähige Königin missinterpretierte Signale ihres extrem betroffenen Volkes und manövrierte die Monarchie emotionslos an einen Abgrund. Die sprichwörtliche "Stiff Upper Lip" der Royals wird nicht in jeder Situation vom Volk akzeptiert, musste die Queen lernen. Mit Elizabeth verschwindet auch die letzte lebende Verbindung zu einer in Großbritannien immer noch als ruhmreich empfundenen, aber längst verflossenen Größe: zum Sieg im Zweiten Weltkrieg, der bis heute mit teils grotesken Kriegsfilmen täglich auf britischen Fernsehsendern glorifiziert wird; zum längst aufgelösten, die Welt umspannenden Kolonialreich, zum goldenen Zeitalter, als England noch die Meere beherrschte. So verwundert es nicht, dass die heimliche Hymne des Landes "Rule Britannia" heißt. Dort wird gesungen "Rule, Britannia! Britannia rule the waves: Britons never will be slaves". Passend für ein Land, in dem der Übergang vom Patriotismus zum Nationalismus seit je her fließend ist. Charles ist schon ein alter Mann Elizabeths Tod wird zumindest vorübergehend zu einer Destabilisierung des Königshauses führen. Der Thronfolger Charles ist selber schon ein alter Mann, und nicht jeder in England kann sich mit einer Königin Camilla anfreunden. Es mag nur ein Märchen sein, dass jeden Morgen ein Bediensteter Charles die Zahnpasta auf die Bürste drückt, aber wer sich mit hochglanzpolierten, ledernen Maßschuhen an den royalen Füßen bei der Gartenarbeit im Matsch fotografieren lässt, dem ist auch die Zahnpasta-Dienstleistung zuzumuten. Der neue König wird sich mit ernst zu nehmenden Bestrebungen Australiens auseinandersetzen müssen, den Kontinent von einer parlamentarischen Monarchie in eine Republik zu wandeln. Ähnliche Überlegungen gibt es in Kanada, dessen Staatsoberhaupt die Queen ebenfalls war. Derartige Probleme hat die 25-jährige Prinzessin Elizabeth nicht, als sie am 6. Februar 1952 vom Tod ihres Vaters, König Georg VI. erfährt und unmittelbar die Thronfolge antritt. Sie hält sich mit Ehemann Philip auf einer Safari in Kenia auf. Elizabeth ist im Volk beliebt, richtet schon als Teenager während des Krieges Rundfunkansprachen an Kinder und fährt später im weiblichen Hilfs-Corps der Army einen Lastwagen. Elizabeth hat deutsche Vorfahren Am 2. Juni 1953 erleben England und die Welt die größte Krönungsfeier seit dem Mittelalter. Das noch junge Medium Fernsehen überträgt "Pomp and Circumstance" ins Erdenrund. "Sollen die Radfahr- und Regenschirm-Monarchien in Europa doch vor Neid erblassen", schreibt eine britische Zeitung. Elizabeth hat übrigens ebenso wie Prinz Philip deutsche Vorfahren. Sie stammt in direkter Linie von König Georg I. ab, Kurfürst von Hannover. Fortan tut die Königin ihren Job. Ohne Emotionen und mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein. In einem durchschnittlichen Nicht-Corona-Jahr ist sie Gastgeberin für mehr als 50.000 Menschen bei offiziellen Banketten, Abendessen, Empfängen und Gartenpartys. Es ist anzunehmen, dass Elizabeth auch bei der "Operation London Bridge down" ein Wörtchen mitgeredet hat. Der Begriff ist das Codewort für alles, was im Zusammenhang mit dem Tod der Monarchin im Vereinigten Königreich passiert, von der Verkündung ihres Ablebens bis zur Beisetzung.Beobachter rechnen mit Trauerfeierlichkeiten für die Queen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Unwiderruflicher Zerfall eines einstigen Weltreichs Doch die können nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit dem Abgang der Monarchin eine Ära für Großbritannien endet. Das Requiem für Elizabeth II. ist auch Symbol für den unwiderruflichen Zerfall des einstigen Weltreiches. So ist das aktuell 54 Nationen umfassende Commonwealth of Nations ein zerbrechliches Konstrukt. Die Nachfolgeorganisation des britischen Kolonialreiches wird durchaus kritisch gesehen. Hauptzweck seiner Gründung 1931 war es, Autonomiebestrebungen ehemaliger Kolonien entgegenzuwirken. In zuletzt noch 15 der Staaten war Elizabeth II. offiziell Staatsoberhaupt. Erst kürzlich forderte Prinz Harry eine Debatte zur Aufarbeitung der englischen Kolonialvergangenheit. Die Queen hat sich dazu nie öffentlich geäußert. Nun ist nicht damit zu rechnen, dass England, Schottland, Wales und Nordirland in absehbarer Zeit vom Vereinigten Königreich zu einer Republik mutieren. Eher schon spalten sich in Folge des Brexit die Schotten ab. Auch in Nordirland gibt es vor allem unter jungen Menschen ernst zu nehmende Bestrebungen für eine Wiedervereinigung mit dem Süden der Insel. Mögen Charles und Camilla als Königspaar auch wenig populär sein, so steht im Hintergrund bereits eine junge, durchaus beliebte Generation: Prinz William mit Herzogin Kate und ihren drei Kindern George, Charlotte und Louis. So bleibt anzunehmen, dass der ägyptische Monarch Faruk (1920 - 1965) Recht behält. Der wird mit den Worten zitiert, langfristig werde es nur noch fünf Könige geben, die vier im Kartenspiel und den englischen.

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