Belämmertes Schweigen statt glamouröses Happy End

Washington. Spannend wie ein Film sollte die diesjährige Oscar-Verleihung präsentiert werden. Und kurzweilig. So hatte es Show-Regisseur Steven Soderbergh versprochen. Davon, dass das Happy End unhollywood-mäßig in die Hose gehen würde, hatte der mit &bdquo;Sex, Lügen und Video” sowie &bdquo;Traffic” berühmte gewordene Filme-Macher nichts gesagt. Aber so empfanden es manche, die der 93. Leistungsshow Hollywoods, die Corona-bedingt den üblichen Glamour nur sozial distanziert zuließ, am Fernseher die Stange hielten. Dass der beste Film des Jahres - fast erwartbar angesichts von über 200 Preisen seit Herbst 2020: &bdquo;Nomadland” - nicht wie üblich als Kirsche auf dem Sahnehäubchen am Ende präsentiert wurde, war schon suboptimal. Aber geschenkt. Dass später Frances McDormand für ihre Nomadin-Rolle in eben jenem Nomadland überragend verdient den dritten Goldjungen ihrer Karriere bekam, ihre Dankesrede aber nach gefühlten 20 Sekunden fertig hatte, ließ bei aller Freude für die allem Firlefanz abholde Großschauspielerin ein erstes schales Gefühl zurück. Vor allen Dingen, wenn man es an jenen inflationär langen Rede-Beiträgen anderer misst. Vor Corona-Zeiten hätte hier das Oscar-Live-Orchester gnadenlos in die Parade gefiedelt. Diesmal, die Hauptveranstaltung fand im überaus kinotauglichen Hauptbahnhof von Los Angeles statt und nicht im Dolby Theatre, blieben die Geiger und Flötisten zuhause. QuestLove, der aus Funk und Spät-Fernsehen bekannte Roots-Schlagzeuger, verantwortete das aus der Konserve gezogene Musikalische. Sir Anthony Hopkins als ältester Gewinner in der Oscar-Geschichte Der Schlusspunkt der Zeremonie aber geriet atmosphärisch-klimatisch so unerwartet daneben, dass man sich schon kurz danach eine partielle Amnesie wünschte. Nicht der im vergangenen August viel zu früh verstorbene Chadwick Boseman wurde posthum für seine meisterliche Rolle als Trompeter Levee in &bdquo;Ma Raineys Black Bottom” geehrt, was Hundertschaften von Szenekundigen so nicht erwartet hatten. Sondern Sir Anthony Hopkins. Was ein wenig belämmertes Schweigen auslöste. Aber mit keiner Silbe des Briten tief unter die Haut gehende Verkörperung eines Demenzkranken in &bdquo;The Father” schmälern soll. Allein, der Gewinner des letzten Preises des Abends, mit 83 übrigens der älteste in der Oscar-Geschichte, nahm den Preis mangels Anwesenheit nicht entgegen. Nicht mal aus seinem Haus in Wales ließ er sich zuschalten. Damit fiel auch eine Rede flach, die den ungewöhnlichsten Oscar-Abend seit Ewigkeiten von einer allseits bewunderten Stimme der Autorität und Integrität gelungen hätte ab- und zusammenbinden können. Stattdessen kam ein abruptes Ende, dessen Rausschmeißer-Qualität an eine Klammerblues-Party erinnerte, bei der ein Spielverderber mittendrin das Licht anmacht. Dabei fing doch alles so hübsch an. Regina King, schwarze Schauspielerin und Debüt-Regisseurin (&bdquo;One Night in Miami”), ließ sich beim Gang durch die stilvolle &bdquo;Union Station”, wo die Bühne samt Gästen/Nominierten aufgebaut war, von einer großen Kamerafahrt begleiten und kam zeitgeistlich sofort zur Sache. &bdquo;Wenn die Dinge in Minneapolis anders gelaufen wären”, sagte King über den George Floyd-Polizistenmord-Prozess, &bdquo;hätte ich meine High Heels gegen Marschierstiefel eingetauscht.” Regisseur Thomas Vinterberg rührt das Publikum zu Tränen Kurz danach rührte der für die Trinker-Geschichte &bdquo;Der Rausch” mit dem Preis für den besten ausländischen Film prämierte dänische Regisseur Thomas Vinterberg das Publikum zu Tränen. Er erzählte, dass seine 19-jährige Tochter Ida, die dort mitspielen sollte, während der Dreharbeiten bei einem Auto-Unfall ums Leben gekommen ist. Bewegend auch der von Demut und Dankbarkeit geprägte Auftritt von Chloé Zhao, die &bdquo;Nomadland” über die Welt gebracht hat. Die 39-Jährige mit den schwarzen Jung-Mädchen-Zöpfen ist in der Sparte Regie die erste Chinesin in der Oscar-Geschichte auf dem Thron - und die zweite Frau in dieser Disziplin überhaupt. Sie rief dazu auf, an das Gute in sich zu glauben und die Güte der Mitmenschen zu wecken. Wofür sich Glenn Close (74) bei ihrer achten Oscar-Nominierung - diesmal für das Sozial-Drama &bdquo;Hillbilly Elegy”- wieder nichts kaufen konnte. In der Kategorie &bdquo;beste weibliche Nebenrolle” macht die Südkoreanerin Youn Yuh-Jung für den alles um sie herum erdenden Oma-Part in der empfehlenswerten Einwanderer-Geschichte &bdquo;Minari” das Rennen. Die 73-Jährige Youn Yuh-Jung gab die amüsanteste Figur des Abends ab Die 73-Jährige gab bei ihrer warmherzigen Rede die amüsanteste Figur des Abends ab, in den sich einige Nominierte via Satellit aus London, Paris oder Sydney zuschalteten. Für viele war Glenn Close trotzdem der Star des Abends. Der Grund: eine besondere Tanzeinlage. Während der Show sprang die 74-Jährige von ihrem Platz auf und ließ ihre Hüften zum Song &bdquo;Da Butt" kreisen. Filmregisseur Spike Lee hatte das Lied für seinen &bdquo;brillanten" Film &bdquo;School Daze" (1988) schreiben lassen, erzählte Close. Sie kritisierte, dass der Film damals nicht für einen Oscar nominiert wurde. Im Netz sorgte ihre Tanzeinlage für viel Begeisterung. And the Academy Award for best moment of the #Oscars goes to: pic.twitter.com/HgDszsTo7v ABC News (@ABC) April 26, 2021Allseits übel stieß in sozialen Medien auf, dass die Regisseure der Oscar-Show, die fisimatentenfrei, beinahe ernsthaft und zuweilen piefig herüberkam, erratisch mit den traditionellen Einspiel-Clips über die zur Prämierung anstehenden Filme umging. Am widersinnigsten erschien dies in der Kategorie &bdquo;beste visuelle Effekte”, die an Christopher Nolans &bdquo;Tenet” ging. Was den Spionage-Thriller visuell auszeichnet, bekam niemand zu sehen. Kein Preis in den Königs-Kategorien für Netflix Dass Nominierungen begrenzt die wahren Siegchance illustrieren, bewahrheitete sich für den Streaming-Riesen Netflix. Mit 36 Nominierungen ins Rennen gegangen, blieben am Ende sieben Preise übrig. Keiner davon in den Königs-Kategorien. In denen ist ganz gewiss und endgültig Frances McDormand zuhaus. Die 63-Jährige hat durch &bdquo;Nomadland” mit Meryl Streep und Ingrid Bergman gleichgezogen. Deren drei Oscars als beste Schauspielerin werden nur von Katharine Hepburn (4) übertroffen. Noch. &bdquo;Ich habe keine Worte. Meine Stimme ist mein Schwert”, zitierte McDormand, die Gattin von Regisseur Joel Coen, aus Shakespeares &bdquo;Macbeth”. Und fügte an die versammelte Kollegenschaft im Publikum hinzu: &bdquo;Wir wissen, dass unser Schwert unsere Arbeit ist. Und ich mag Arbeit.” Da kommt also noch was. Beruhigend zu wissen.

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