Bremst der Datenschutz den Kampf gegen Corona in Deutschland aus?

Bielefeld. Datenschutz wird in Deutschland groß geschrieben. Bereits vor der Corona-Pandemie zeigten Umfragen, dass den Deutschen der Schutz ihrer Daten so wichtig ist wie kaum einer anderen Nation. Inzwischen stellen verschiedene Gesundheits-Experten zur Diskussion, ob diese Einstellung zum Datenschutz eine effektive Bekämpfung der Pandemie möglicherweise behindert. Immer wieder sorgen Nachrichten wie jüngst in Niedersachsen, als dem Sozialministerium angeblich aus Datenschutzgründen der Zugriff auf die Melderegister nicht möglich war, für Kopfschütteln. Woher die Affinität der Deutschen zum Datenschutz kommt, ist unklar. Historiker vermuten einen Zusammenhang mit den beiden diktatorischen Regimen der vergangenen 100 Jahre, die Daten ihrer Bürger ausspähten und horteten. Bewiesen ist diese Theorie jedoch nicht. Heute ist Datenschutz ein Grundrecht. "Und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde in Deutschland sogar verhältnismäßig früh formuliert", sagt Christof Stein, Sprecher des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Heute sei die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) das Maß aller Dinge, die für alle Mitgliedstaaten der EU gilt und für andere Nationen als Vorbild dient. Die Corona-App Mit Beginn der Corona-Pandemie war schnell eine App im Gespräch, die ein Hilfsmittel bei der Feststellung der Risikokontakte sein sollte. Wochenlang wurde an der Programmierung getüftelt - Und immer wieder wurden Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes laut. Erst Mitte Juni war die App verfügbar. Bis heute wurde die App von rund 24 Millionen Nutzern (Stand Dezember 2020) heruntergeladen. Zum Vergleich: Den Messenger-Dienst Whatsapp haben 58 Millionen Smartphone-Nutzer in Deutschland installiert. Und noch immer hält sich das Gerücht, die Corona-App "überwache" ihre Nutzer. Diese Unterstellung kann Stein nicht nachvollziehen. "Bei der Auswahl der Ansätze entschied man sich zunächst für ein Modell, dass die Daten aller Nutzenden zentral speichert. Nach einer teilweise auch öffentlichen Debatte zwischen dem Entwicklerkonsortium, der Politik und der Zivilgesellschaft hat sich die Regierung letztendlich für den datenschutzfreundlicheren dezentralen Ansatz entschieden, bei dem Daten nur auf den Endgeräten der Nutzenden gespeichert werden", sagt er. Im Endeffekt sei die datenschutzfreundlichere Variante also die effektivere gewesen. Nur mit dieser sei es heute auch möglich, dass die deutsche Corona-Warn-App mit Corona-Apps anderer Nationen kompatibel ist. Besonders schützenswerte Daten Dennoch handelt es sich bei den Daten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie größtenteils um Daten zur Gesundheit, die laut Artikel 9 der DSGVO "besonders schützenswert" sind. Dazu gehören ebenso Angaben, "aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen", aber auch genetische und biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer Person. "Die Verarbeitung dieser Daten ist durch das Gesetz verboten", sagt Stein. " Der europäische Gesetzgeber leitet dies aus dem potenziellen Schaden ab, der bei einer Datenverarbeitung sensibler Daten eintreten kann." Kontaktdaten, wie Namen, Telefonnummern und Adressen, fallen darunter jedoch eher nicht. Auch nicht in Deutschland. Immer lauter wird nun auch in Deutschland die Diskussion, ob Lockerungen möglich wären, wenn engmaschigere, digitale Überwachung möglich wäre. Während in Deutschalnd der Lockdown erneut in eine Verlängerung geht, gibt es aus China Bilder von Menschen in Restaurants oder sogar Diskotheken. Sie alle hinterlassen ihre Daten durch das Scannen eines QR-Codes - Schummeln ausgeschlossen. Vollständig gläserne Personen? Datenschutz statt Freiheit Dabei wäre eine solche digitale Überwachung auch in Deutschland grundsätzlich möglich, wie der Datenschutz-Experte Stein sagt: "Grundsätzlich gibt es datenschutzkonforme Möglichkeiten, die Kontaktnachverfolgung digital auszugestalten, beispielsweise über eine sogenannte Cluster-Erkennung oder die Erzeugung von QR-Codes für Versammlungen, die von Anwesenden für spätere Benachrichtigungen gescannt werden können." Allerdings liegen dem Bundesamt für Datenschutz und Informationssicherheit schlicht keine entsprechenden Vorschläge der Bundesregierung hierzu vor. Ohnehin seien die Bundesländer dafür zuständig, entsprechende Regelungen zu treffen. "Die jeweiligen Landesbeauftragten für den Datenschutz sind dann die datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden", sagt Stein. Diese waren auch zuständig, Falschangaben, die auf den Anwesenheitsbögen durchaus häufig vorkamen obwohl es verboten ist und geahndet wird, zu verfolgen. "Daher", sagt Stein, "wäre eine datenschutzkonforme digitale Variante bei der Kontaktverfolgung durchaus der Papierform vorzuziehen."

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