
Nun ist der Streit entfacht, die Aufregung groß. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 1250. Geburtstag Westfalens vor einigen Tagen im Paderborner Dom trat eine provokante Künstler-Truppe auf. Deren Auftritt löste den Eklat aus, der allerdings erst mit deutlicher Verzögerung das Licht der Welt erblickte. Denn selbst Ehrengäste wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, auch Hausherr Erzbischof Udo Bentz und andere störten sich im Dom zunächst nicht an dem Auftritt direkt vor dem Altar. Das Ensemble Bodytalk warf gerupfte, in Windeln gewickelte, Hühner zu einem Popsong der 80er Jahre in die Luft, tanzte dabei und fing sie wieder auf. Sensen wurden geschwungen. Niemand verließ das Gotteshaus.
Doch nun geht's los. Der Dom sei „entweiht“ worden, religiöse Gefühle verletzt. Dumm, dass der Landschaftsverband als Veranstalter die Performance angeblich nicht kannte, weil sie kurzfristig ins Programm genommen worden sei. Allerdings ist die Truppe nicht gerade bekannt dafür, Auftritte für Zartbesaitete zu machen. Im Gegenteil. Nacktheit und Dildos auf der Bühne sind kein Problem für sie. Das kann man mögen, oder auch nicht.
Was darf Kunst? Diese Frage ist seit Jahrzehnten heiß umstritten. Und wo darf Kunst was? Im Theater ist das wohl anders zu bewerten als in einem Gotteshaus. Zumal Bodytalk die Hühnchennummer andernorts schon ohne Windeln vorgeführt hat. Ausgerechnet vor dem Altar des Paderborner Doms nun mit Windeln. Das kann nur als bewusste Provokation gegen die Weihnachtsgeschichte verstanden werden: „...das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend“ (Lukas 2, 7). Wenn Christen das stört, ist das mehr als nachvollziehbar.
Konservative Vereinigung missbraucht Paderborner Debatte
Nun haben sich Trittbrettfahrer in die Diskussion eingeschaltet. Die Organisation „Citizen.Co“ hat mit einer Internet-Petition schon mehr als 23.500 Unterschriften gesammelten, die den Auftritt geißeln. Es handelt sich um eine extrem konservative Vereinigung aus Spanien, die sich unter anderem von einem russischen Oligarchen finanzieren lässt und für Kulturkampf gegen Homosexualität, Abtreibung etc. steht. Sie kocht ihr eigenes Süppchen um die Paderborner Debatte.
Hühnchen in Windeln: Rechtsanwalt zeigt Paderborner Erzbischof an
Und die Einlassung eines AfD-Lokalpolitikers aus dem Kreis Gütersloh ist ebenfalls nicht als sachlicher Beitrag zu verstehen. Der will nichts als Krawall. Denn als kirchlich orientierte Partei, der es um religiöse Gefühle geht, ist die AfD bisher nicht aufgefallen. Der Verdacht des Erzbistums, dass der Vorfall politisch instrumentalisiert werden soll, ist richtig. Und mit welchem Hintergrund die Anzeige gegen Erzbischof Bentz, den LWL und das Ensemble erstattet wurde, ist nicht bekannt. Auch dabei geht es um Kulturkampf, nicht um eine berechtigte, sachliche Debatte.