Ein Amerikaner also. Daran wird man sich erst gewöhnen müssen. US-Präsident Donald Trump, der sich ja selber ebenfalls ganz gut als Papst hätte vorstellen können, vermutlich auch. Man darf gespannt sein, wie sich diese „Cohabitation“ entwickeln wird: der Schrille und der Scheue.
In seiner ersten Ansprache auf der Loggia des Petersdoms hat Leo XIV. bereits angedeutet, wo er, wenn es beispielsweise um Migration geht, stehen wird. Die Kirche müsse auf der Seite der Schwachen stehen, erklärte der neue Papst der katholischen Kirche, der den Papstnamen seines Vorgängers im eigenen bürgerlichen Namen trägt: Francis.
Die Wahl des US-Amerikaners Robert Francis Prevost mag angesichts der geopolitischen Lage – und auch angesichts des Umstandes, dass nur 20 Prozent der Bevölkerung seines Heimatlands katholisch ist – überraschend kommen. Aber sie folgt durchaus einer gewissen Logik. Die klare Mehrheit der insgesamt 133 wahlberechtigten Kardinäle hatte an den Versammlungen des Vorkonklaves – den sogenannten Generalkongregationen – den Wunsch geäußert, den Kurs von Franziskus im Wesentlichen beizubehalten, insbesondere was seine sozial- und umweltpolitischen Vorstellungen anbelangte, aber auch, was seinen pastoralen Ansatz betraf, der weniger auf Doktrin und Bestrafung, sondern mehr auf Verständnis und Vergebung angelegt war.
Das Kardinalskollegium hat Mut bewiesen
Gleichzeitig fanden aber auch etliche dem Argentinier wohlgesinnte Purpurträger, dass einige Dinge aus dem Ruder gelaufen seien. Zum einen wurde der autoritäre und gelegentlich herablassende Umgang von Franziskus mit der Kurie letztlich als kontraproduktiv empfunden, zumal in der Kirchenverwaltung ja auch viel Fachkompetenz vorhanden ist. Und zum anderen galt es, die Traditionalisten zu besänftigen, die gegen Franziskus ein regelrechtes Sperrfeuer errichtet hatten und einen Turbo-Reformer im Konklave nicht akzeptiert hätten. Die Kirche brauchte einen Friedensstifter für die Kurie und einen Brückenbauer zwischen den beiden verfeindeten Lager.
Beides – Frieden schließen mit der Kurie sowie Vermitteln zwischen Progressiven und Konservativen – hätte man auch dem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zugetraut. Genau deshalb galt er ja als Top-Favorit für die Wahl auf den Stuhl Petri. Bei näherem Hinsehen verfügt aber auch Leo XIV. über diese diplomatischen Fähigkeiten, um, vielleicht, in der Kirche und im Vatikan wieder etwas mehr Ruhe und Berechenbarkeit einkehren zu lassen. Und das, ohne das Erbe seines Vorgängers gleich über Bord zu werfen.