Kommentar

US-Wahl: Die Vereinigten Staaten bleiben die wichtigste Demokratie der Welt

Auch jene Amerikaner, die eine Zeit lang falschen Wegen folgten, haben am Ende ihre Demokratie zu schützen gewusst. Das wird auch dieses Mal ihre Stärke sein, glaubt unser Autor.

Am 5. November haben die Amerikaner bei der Präsidentschaftswahl abgestimmt. | © Thomas Slusser/The Tribune-Democ

Thomas Seim
06.11.2024 | 06.11.2024, 15:40

Die wichtigste Demokratie der Welt hat gewählt. Nun beschäftigt sich die übrige Welt mit der uns alle bewegenden Frage: Werden die Vereinigten Staaten von Amerika auch nach dieser Wahl die größte Demokratie bleiben, auch wenn andere demokratische Länder viel größer sind?

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Ja, das werden sie! Zu sehr ist uns unter den populistischen Aufgeregtheiten und Wahlkampf-Hässlichkeiten zwischen Republikanern und Demokraten der Blick darauf verloren gegangen, mit welchen Werten und Leistungen, mit welcher Faszination die USA trotz aller inneren und äußeren Brüche, Widersprüche, Kriege und Überfälle zu dieser uns alle beeindruckenden Demokratie geworden sind.

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Kaum eine Nation hat so viel Weite wie die in Kentucky über Jahrhunderte so erfolgreich zusammenbringen können mit so viel Nähe und Enge, wie sie New York mit seiner Wall Street repräsentiert. Unerreicht ist die Freiheit des Westens am Pier 39 in San Francisco und an den weltweit führenden Universitäten von Berkeley oder Stanford. Faszinierend bleibt trotz aller Hurrikans die Erlebniswelt Floridas, kaum zu toppen sind die wissenschaftlichen Standards der Harvard Universität in Boston. Und auch Hollywood strahlt nach Europa und in die Welt. Immer noch.

Amerikas Weltmachtanspruch ist diskutabel

Das alles relativiert nicht die Fragen, die man an die Verantwortungsträger dort haben kann, die man ihnen stellen muss. Die Fragen nach den Verbrechen der Sklaverei, einer Abwertung der Menschen nach Rassen statt der Würdigung ihrer Herkunft, die Benachteiligung und Herabsetzung der Frauen über Jahrzehnte; auch die Invasion in andere Länder wie den Karibikstaat Grenada oder die verbrecherischen Agent-Orange-Giftgas-Einsätze in Vietnam oder Laos gehören zu den dunkelsten Momenten der US-Geschichte wie der Irak-Krieg. Schließlich ist der Anspruch, einzige Weltmacht zu bleiben, durchaus diskutabel, vor allem dann, wenn er zu einem Rüstungskrieg mit China und Russland wird.

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Ihre Demokratie aber haben immer auch jene Amerikaner zu schützen gewusst, die eine Zeit lang falschen oder fragwürdigen Wegen folgten. Der Wettstreit von Isolationisten und Internationalisten war immer scharf. Aber auch in oder nach einer Zeit mit einem Senator McCarthy nach dem Zweiten Weltkrieg, an dessen lautstarke Verschwörungstheorien heute am ehesten Donald Trump erinnert, gab es die Rückbesinnung auf den Zusammenhalt von Freiheit und Demokratie. Diese Stärke war es, die zwei Weltkriege um Europa beenden, die Grundlagen für eine deutsche Einheit und den Wohlstand hier bei uns schaffen konnte.

Auf diese Kraft durfte man immer vertrauen. Man wird es auch in Zukunft müssen, auch nach dieser Wahl. Es ist die Kraft der Demokratie – und der Freiheit.