Kommentar

Markus Söder treibt den Unions-Kanzlerkandidaten Merz ins Risiko

Die Loyalität des CSU-Chefs gegenüber dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz hat Grenzen. Söders Schwerpunkte sind ein großes Risiko für die Union, kommentiert unsere Autorin.

Markus Söder (l.), Vorsitzender der CSU, gibt Friedrich Merz (r.), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, nach dessen Rede auf dem Parteitag der CSU die Hand und verbeugt sich. | © (c) Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Daniela Vates
12.10.2024 | 13.10.2024, 06:41

Zur Politik gehört zuweilen Show. Und einer der besten Bühnendarsteller ist zweifellos Markus Söder. Gerade hat er das wieder auf dem CSU-Parteitag bewiesen. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident redete nicht, er führte seine Rede auf: flüsternd, schreiend, deklamierend, mal staatstragend, mal polternd, mal bedeutungsschwanger, mal kalauernd – und auf jeden Fall kurzweilig.

Eines der Stilmittel der CSU im Allgemeinen und Söders im Besonderen ist die Übertreibung. Ein wenig – oder nicht mal nur ein wenig – dick auftragen gehört dazu. Dezente Töne, Abwägung, Differenzierung sind Söders Sache nicht. Es muss schon immer der Superlativ sein, das Bombastische. Das hat zuweilen etwas Komödienhaftes bis Rührendes, etwa wenn Söder gleichzeitig Überlegenheit und Demut seiner Bayern preist.

CDU-Erfahrung mit Söder

Zuweilen aber kippt die Vorführung. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dies erfahren, mit der die CSU von dem damals noch auf die bayerische Führungsrolle wartenden Söder angetrieben erbarmungslos einen Kampf um die Flüchtlingspolitik ausfocht. Der letzte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat es erfahren, dessen Kampagne Söder und die Seinen nach Kräften unterminierten. Der aktuelle CDU-Chef Friedrich Merz erfährt es nun auf andere Weise.

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Söder hat Merz zwar vergleichsweise kampflos die Kanzlerkandidatur überlassen, er hat ihn wortreich seiner Unterstützung versichert. Zu 100 Prozent könnten sich Merz und die CDU sich im Wahlkampf auf ihn verlassen, beteuerte Söder auf dem CSU-Parteitag, wieder und wieder. Von komplett illoyal zu absolut loyal – es wäre eine bemerkenswerte Lernkurve hin zu einer Selbstverständlichkeit.

Allerdings muss man bei der Loyalität wohl eine Einschränkung machen: Das Kommando haben will Söder bei der ganzen Angelegenheit schon. So hat er nun also vorgegeben, wie die Wahlkampagne der Union aussehen soll: Die Grünen sind der Hauptgegner, die Migrationspolitik soll das Schwerpunktthema werden.

Das Kalkül der CSU

Das Kalkül dahinter ist klar: Vor Jahren haben CSU-Strategen die Grünen als zentralen Konkurrenten im bürgerlichen Lager identifiziert, dessen die Partei auch nicht Herr werden kann, wenn ihr Chef noch so viele Bäume umarmt. Statt Kopieren lautet das Motto nun: niedermachen. Wer Söder zuhört, gewinnt den Eindruck, die Grünen – nicht etwa die in Teilen rechtsextreme, demokratiefeindliche AfD – seien die größte Gefahr für das Land. Dazu gehört, dass Söder in großer Verve Koalitionen mit den Grünen ausschließt, nicht nur für sich in Bayern, sondern gleich auch noch auf Bundesebene.

Es gibt offenkundig auch noch ein zweites Kalkül: Mit dem Fokus auf Migrationspolitik versucht Söder, den in Bayern erfolgreichen Freien Wählern und den Rechtsextremisten von der AfD Profilierungsmöglichkeiten zu nehmen. Leider entgleitet die Tonlage dabei zuweilen mit.

Die Union nimmt sich ihre Bewegungsfreiheit

Merz mag darin einen strategischen Vorteil sehen. Gegen den rabiat auftretenden Söder kann der CDU-Chef versuchen, sich gemäßigter, staatsmännischer zu profilieren. Und die Wählerinnen und Wähler haben beide Varianten in einer Partei im Angebot.

Das Problem ist, dass die Union sich damit ihre Bewegungsfreiheit nimmt. Nach der Bundestagswahl wird ihr möglicherweise nichts anderes übrig bleiben, als auch mit den Grünen über eine Regierungsbildung zu verhandeln. Ausschließen sollte auch die Union nur das Anbandeln mit Demokratiefeinden. Merz weiß das und setzte auf dem Parteitag hier andere Akzente. Dass Söder vermutlich auch bei diesem Thema jederzeit eine neue Platte auflegen kann, reicht nicht.

Denn eines ist noch viel wichtiger: Die ohnehin große Polarisierung der Gesellschaft weiter anzuheizen, tut dem Land nicht gut. Und auch das muss die Union beachten.

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