
Frankreich hat gewählt – und das geht Deutschland an. Denn das Wahlergebnis ist in der ersten Runde so ausgefallen, dass die nachbarschaftlichen Beziehungen davon nicht besser werden. Als klarer Gewinner gilt der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. Und diese Partei ist weder als Freund Deutschlands noch Europas bekannt. Wie die deutsche AfD steht sie der EU mehr als kritisch gegenüber.
Le Pen hat schon angekündigt, dass die erste Reise nach der Regierungsbeteiligung oder Machtübernahme nach Brüssel führen werde, um sich Geld zurückzuholen. Noch ist Frankreich Nettozahler in die EU-Kassen. Wie Deutschland. Es geht nicht um einen „Frexit“, nicht um einen Austritt aus der EU, aber der Ton würde rauer, wenn der RN die Regierung in Paris stellt. Die Partei von Präsident Emmanuel Macron ist klar pro-europäisch positioniert und wäre kaltgestellt.
Die Achse Paris-Berlin-Warschau wurde erst vor wenigen Wochen wieder aktiviert, nach dem Wahlsieg von Donald Tusk in Polen. Nun droht erneut ein Rückschlag, auch wenn Macron zunächst als Präsident erhalten bleiben wird. Er wird in einer Kohabitation weniger Freiheiten haben als bisher. Dazu kommt, dass Ungarn unter Viktor Orbán routinemäßig den EU-Vorsitz übernommen hat. Orbán ist ebenfalls kein EU-Fan – es sei denn, Ungarn bekommt Geld aus Brüsseler Kassen.
Die EU als Selbstbedienungsladen
Die EU wird von den Rechtspopulisten und -nationalisten Europas als Selbstbedienungsladen verstanden, nicht als Gemeinschaftsprojekt. Besser macht es das Linksbündnis in Frankreich nicht. Denn auch die zweitstärkste Kraft des ersten Wahlganges im zweitwichtigsten EU-Land ist nicht pro Brüssel eingestellt.
Und auch die direkten Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich könnten leiden. Selbst den Schüleraustausch, der sehr zu Aussöhnung und gegenseitigem Verständnis der beiden Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen hat, wird vom RN skeptisch gesehen. Argwöhnisch beäugt der RN das französische Außenhandelsdefizit von rund 50 Milliarden Euro im Verhältnis zu Deutschland. Da verdienen deutsche Unternehmen gut.
Von der äußeren Sicherheit ganz zu schweigen. Macron hatte Deutschland schon vor Jahren angeboten, in der atomaren Abschreckung zusammenzuarbeiten. Erst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dann Olaf Scholz (SPD) zeigten sich mehr als zögerlich – abweisend. Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine wohl ein Fehler. Zusammenhalt bietet Stärke. Von Marine Le Pen und auch dem französischen Linksbündnis ist der nicht zu erwarten. Putin wird vor Freude über das Wahlergebnis kaum in den Schlaf kommen. Sollte der zweite Wahlgang am Sonntag die Ergebnisse festigen, sind das schlechte Nachrichten für Europa.