Am Montagabend saßen die Fans der Nationalmannschaft plötzlich fest. Und die Spieler auch. Gegen Mitternacht durfte aus dem Nürnberger Max-Morlock-Stadion niemand mehr heraus – es gab eine konkrete Gefahrensituation. Sicherheit – so erläuterte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser anschließend – habe bei der Fußball-EM „oberste Priorität“. Eine gute Entscheidung, auch wenn das bedeutet, dass die Freiheit des Einzelnen dafür eingeschränkt werden musste.
Schnitt! Vor einer Woche wurde dem Präsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron, in Münster der Westfälische Friedenspreis verliehen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren hoch, das Rathaus weiträumig abgesperrt. Als der Ausgezeichnete vom Balkon den Menschen zuwinkte, mussten drinnen die Gäste der Verleihungszeremonie auf ihren Plätzen bleiben. Bewegung war aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Auch CDU-Parteichef Merz musste sitzenbleiben, während NRW-Ministerpräsident Wüst mit zum Winken durfte.
Auch in Münster herrschte Verständnis vor. Aber rechtfertigt die Sicherheitsgarantie für einen Politiker eine solche Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Demokraten? Wie weit also dürfen die Garanten der Sicherheit bei der Beschränkung von Freiheit gehen, wenn sie zum Beispiel Menschen vor Messerangriffen von mutmaßlichen Islamisten, jemanden wie den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke vor Todesschüssen schützen oder Attacken auf Wahlkämpfer wie in Thüringen verhindern müssen?
Vor uns liegen zwei Großveranstaltungen wie die Fußball-EM und die Olympischen Spiele in Frankreich. Sie bergen hohe Attentatsrisiken durch radikalisierte Einzeltäter und organisierten Terror. „Abstrakt hoch“ nennen sie Innenministerin Faeser und ihr NRW-Kollege Herbert Reul. Der Schutz vor der abstrakten Gefahr muss sich in der konkreten Einschränkung von Freiheit wie in Nürnberg oder Münster enge Grenzen setzen.
Die große Mehrheit der Deutschen fühlt sich sicher
Zwischen Freiheit und Sicherheit gibt es keinen dauerhaft gleichen Wechselkurs. Freiheit gibt es nicht ohne Sicherheit. Umgekehrt gilt das nicht. Da gilt, dass sich Maßnahmen zur Sicherheit immer darauf prüfen müssen, wie sehr sie Freiheit einschränken und wie berechtigt das ist. Sicherheit ist ein elementares Grundbedürfnis. Freiheit von Überwachung und Kontrolle aber auch. Maßlose Sicherheit aber kann diese Freiheit begraben.
Die große Mehrheit der Deutschen fühlt sich sicher oder sehr sicher – über 80 Prozent. Das hat kürzlich eine Umfrage ergeben. Das ist angesichts der aktuellen Anschläge und Gefahrenlagen ein sehr hoher Wert. Er zeugt von guter Arbeit der Sicherheitskräfte. Sie hat auch bei den bevorstehenden Großveranstaltungen die Sicherheit der Menschen als größte Aufgabe – zum Schutz der Freiheit.