Meinung

Hohe Umfrage-Werte für Wüst passen nicht zur Lage im Land

Eine Erfolgsbilanz als Problemlöser kann der NRW-Ministerpräsident bislang ebenso wenig aufweisen wie eine klare politische Handschrift als Gestalter, meint unser Autor.

Hendrik Wüst (CDU) ist Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen – und in Umfragen beliebt. | © Bernd Von Jutrczenka

Ingo Kalischek
27.03.2024 | 27.03.2024, 16:49

Hendrik Wüst hat einen Lauf. Noch immer. Der NRW-Ministerpräsident kann seine Beliebtheitswerte seit zwei Jahren steigern – obwohl er regiert. Zwar segelte auch Wüsts Amtsvorgänger Armin Laschet zu Beginn durch verhältnismäßig ruhige Gewässer, endete aber mit einem politischen Totalabsturz. Bislang gibt es wenig Anzeichen, dass es Wüst so schnell ähnlich ergehen dürfte.

Rund jeder zweite Befragte im „NRW-Check“ gibt an, mit Wüst und mit der Arbeit der schwarz-grünen Koalition zufrieden zu sein. Das ist Fakt und wird Gründe haben. Mit der objektiven Lage im Land sind die hohen Zustimmungswerte aber nur bedingt zu erklären. Geldnöte der Kommunen, Frust in Schulen und Kitas, steigende Kriminalitätswerte, marode Straßen und Brücken, insolvente Krankenhäuser und Pflegeheime, Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung: Eine Erfolgsbilanz als Problemlöser kann Wüst bislang ebenso wenig aufweisen wie eine klare politische Handschrift als Gestalter.

Was ihm aber sehr gut gelingt, ist die Koalition bei Laune zu halten und sich bei den Wählerinnen und Wählern als interessierter und moderner Landesvater zu präsentieren, der die passenden Worte im passenden Moment findet. Der dem konservativen CDU-Profil einen frischen Anstrich gibt – und der ehrgeizig ist und sich sogar den Sprung an die Spitze der Bundesrepublik zutraut. Das macht sexy.

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Wüst konnte sich lange als Treiber des Kanzlers in Szene setzen

In Zeiten einer schnelllebigen Oberflächlichkeit in der Gesellschaft ist das ein Erfolgsrezept, mit dem sich Wüst weiter wunderbar von einer chronisch zerstrittenen Ampel-Koalition abgrenzen kann. Und von der NRW-SPD geht für ihn auch keine Gefahr aus. Für sie zeigt der Trend weiter nach unten. Wüst ist es also möglich, verstärkt nach Berlin zu blicken. Dass er sich dort wiederholt selbst in die medial so lustvoll diskutierte Kanzlerfrage eingebracht hat, hat ihm ebenso genutzt wie die Bühne, die ihm die Ministerpräsidenten-Konferenz über Monate beschert hat. Als deren Vorsitzender konnte Wüst besonders öffentlichkeitswirksam agieren – und sich als Treiber des Kanzlers in Szene setzen.

Wie lange dieser Lauf anhalten wird, dürfte sich zeigen, falls Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union werden sollte. Danach sieht es aus. Unter einem Kanzler Merz würde das Interesse an Wüst sinken, mit der Folge, dass das Scheinwerferlicht stärker auf dessen überschaubare Performance in NRW gerichtet würde. Sollte Merz aber als Kanzlerkandidat scheitern, dürfte Wüst sogar der neue starke Mann in der Bundes-CDU werden. Und das, obwohl er bisher mehr durch sein Auftreten als durch Taten und Inhalte überzeugt.