Kommentar

Defizite in der Bildungspolitik: NRW vergisst seine Hausaufgaben

Deutschlands wichtigster Rohstoff ist Bildung – eine richtige Erkenntnis, im Grunde eine Binse, meint unser Autor. Trotzdem wird selten nach ihr gehandelt.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Bildungsministerin Dorothee Feller (beide CDU). | © picture alliance / Flashpic | Jens Krick

12.02.2024 | 12.02.2024, 11:37

Deutschlands wichtigster Rohstoff ist Bildung. Diese richtige Erkenntnis gehört zu den größten Binsenweisheiten unserer Zeit – Politik-Poesie. Trotzdem wird selten nach ihr gehandelt.

In Vergleichsstudien zu den Leistungsständen der Länder schneiden deutsche Schülerinnen und Schüler regelmäßig schlecht ab, das haben zuletzt die Pisa-Ergebnisse gezeigt. Dem IQB-Bildungstrend zufolge erfüllt rund ein Viertel der Jungen und Mädchen an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen die Mindestvoraussetzungen im Lesen, Schreiben und Rechnen nicht. In NRW werden laut dem Bericht „nahezu durchgängig besonders schwache Ergebnisse“ im Fach Deutsch erzielt; auch beim Zuhören legt die Studie große Schwächen offen.

Der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann sagte vor wenigen Tagen dieser Redaktion, dass Kinder angesichts der politischen Bewegungen in Deutschland unbedingt lernen sollten, sich argumentativ auseinanderzusetzen. Er warb für „gelebte Demokratie“ – in der Familie und in der Schule. Wie soll das gelingen, wenn es schon an den Grundlagen hapert?

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Die Ergebnisse sind keine Überraschung

Auch die organisierte Wirtschaft sieht in den Ergebnissen der Vergleichsstudien ein Alarmsignal. Deutschland kann es sich nicht leisten, dass die Talente junger Menschen verloren gehen – erst recht nicht angesichts des Fach- und Arbeitskräftemangels.

Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Dorothee Feller sieht in den historisch schlechten Ergebnissen der jüngsten Pisa-Studie „keine Überraschung“. Das sind sie gewiss nicht nach dem leidigen digitalen Fernunterricht während der Pandemie. Und ja, die Schülerschaft wird zunehmend heterogen, wie Feller sagt. Das alles dürfe jedoch „keine Ausrede“ sein.

Richtig, es liegt nicht nur an Corona und Migration. Es liegt vor allem daran, dass die Verantwortung für eine höhere Bildungsqualität nach jedem neuen „Pisa-Schock“ zwischen Bundes- und Landesebene hin- und hergeschoben wird – wohlfeil garniert mit Politik-Poesie.

Wüst hat die Misere zur Chefsache gemacht

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst hat die Misere vor Kurzem zur Chefsache gemacht. Handlungsbedarf sehe er bereits in der Kita. Denn wer schon in der Grundschule nicht altersgerecht sprechen könne, der könne auch andere Dinge nicht lernen, konstatierte der CDU-Politiker.

Vor diesem Hintergrund wirkt es unglücklich, dass seine eigene Landesregierung ihre Hausaufgaben vergessen hat: Das zuständige Ministerium war lange nicht in der Lage, genaue Zahlen zu den Kindersprachtests vorzulegen. Auch an dieser Stelle hapert es bereits an den Grundlagen.