Kommentar

FDP-Mitgliederbefragung: Merkzettel für den Kanzler

Die FDP-Mitglieder haben sich zur Regierungsbeteiligung ihrer Partei geäußert. Das Ergebnis geht weit über die eigene Partei hinaus, meint unser Autor.

Kanzler Olaf Scholz muss endlich Führung übernehmen. Und das nicht nur in Regierungserklärungen, sondern im Handeln, fordert Kommentator Carsten Heil. | © picture alliance/dpa

Carsten Heil
01.01.2024 | 01.01.2024, 17:57

Das ist knapp. Nur gut 52 Prozent der FDP-Mitglieder haben dafür gestimmt, dass ihre Partei in der Ampel- Koalition und damit in der Bundesregierung bleiben möge. Und nur gut 30 Prozent haben überhaupt abgestimmt. Das ist fast noch schlimmer als das knappe Ergebnis. Selbst politisch interessierte Menschen – sonst wären sie nicht Mitglied in einer Partei – kümmert nicht der Erfolg oder Misserfolg ihrer Partei oder ihrer Regierung. Engagement und Überzeugung sehen anders aus. Da mag sich Parteichef und Finanzminister Christian Lindner nun zurücklehnen und sagen: Alles fein.

Nichts ist fein. Weder für die FDP, noch für die Ampel. Und auch nicht für unsere Demokratie. Der Spielraum wird noch enger. Denn die bevorstehenden Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen setzen die Liberalen und die Bundesregierung zusätzlich unter Druck. Erfolge sind für sie nicht zu erwarten. Im Gegenteil. Mit dem Ergebnis, dass die Streitereien in der Koalition eher zu- als abnehmen werden. Jeder wird sich profilieren wollen und müssen. Daraus wiederum folgt, dass das Vertrauen in die Regierenden noch weiter sinkt. Das ist übel.

Noch nie war das Ansehen einer Bundesregierung so schlecht wie derzeit das der Ampel. Selbst gutbürgerliche, politisch interessierte und von der Demokratie überzeugte Menschen halten inzwischen einen Denkzettel für die etablierten Parteien für nötig. Auf dem steht nach Lage der Dinge aber nur AfD. Eine sehr bittere Erkenntnis. Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ist noch zu neu und unbekannt, um als Denkzettel zu taugen oder ernst genommen zu werden. Und auch keine gute Alternative.

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Kanzler muss endlich Führung übernehmen

Für Kanzler Olaf Scholz heißt das: Endlich Führung übernehmen. Und das nicht nur in Regierungserklärungen, sondern im Handeln. Er hat damit eine Aufgabe, die weit über das Funktionieren seiner Regierung und seinen eigenen politischen Erfolg hinausweist. So bedenklich es ist: Inzwischen geht es in Deutschland um das Vertrauen in die Demokratie als solche, als System, in dem wir leben wollen. Das ist die Botschaft des Ergebnisses und der mageren Umfrage-Beteiligung der FDP.

Ja, die Herausforderungen für die Regierung sind groß. Umso klarer und verlässlicher müssen ihre Entscheidungen sein. Das Volk der Handwerker, Ingenieure, Dienstleister und anderer kann das Nachbessern, Ankündigen und wieder Zurücknehmen, Versprechen, Zögern und Zaudern nicht mehr ertragen. Die Menschen selber können sich das in ihrem eigenen Job nicht leisten. Deshalb erwarten sie mehr von ihren Regierenden als das, was diese derzeit liefern.

Das ist die eigentliche Botschaft der FDP-Mitgliederbefragung für 2024, die mit der Partei nichts zu tun hat.

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