Meinung

Das Scheitern der Ampel: Nicht die Vertrauensfrage ist das Problem

Mit der Vertrauensfrage will Bundeskanzler Olaf Scholz das Scheitern der Ampelkoalition quittieren lassen – und auch sein eigenes. Alle Parteien müssen sich hinterfragen, meint unsere Autorin.

Die Ampel-Spitzen im Bundestag: Die Kompromissunfähigkeit aller Parteien ist das Problem, meint unsere Autorin. | © picture alliance/dpa

Daniela Vates
11.12.2024 | 11.12.2024, 15:25

Eines der letzten Projekte von Olaf Scholz wird wohl ein Erfolg sein. Es ist ein Erfolg mit absurden, auch tragischen Zügen: Am kommenden Montag wird der Kanzler im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, die dafür nötige schriftliche Ankündigung hat er nun mit dem ebenfalls nötigen Vorlauf beim Bundestagspräsidium eingereicht.

Scholz will sich also vom Bundestag das Scheitern der von ihm geführten Ampel-Regierung quittieren lassen. Es ist auch sein Scheitern, selbst wenn er durch den Rauswurf des auf Crashkurs fahrenden Bundesfinanzministers Christian Lindner von der FDP die Entscheidung selbst getroffen und vermieden hat, sich von den Liberalen vorführen zu lassen.

Es ist davon auszugehen, dass Scholz mit der Vertrauensfrage sein Ziel erreicht – nämlich seinen fehlenden Rückhalt im Parlament zu dokumentieren und dadurch Neuwahlen auszulösen. Es mag zwar in der Union, der FDP, der Linkspartei und der BSW Abgeordnete geben, die nicht erpicht sind auf ein schnelles Ende der Wahlperiode – etwa weil sie um ihren Wiedereinzug in den Bundestag fürchten. Es mag in der AfD Überlegungen geben, auch diesen demokratischen Vorgang maximal zu chaotisieren.

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Vertrauensfrage schadet Demokratie nicht

Bekäme Scholz im Bundestag unerwartet doch eine Mehrheit der Stimmen, müsste die Vertrauensfrage wiederholt werden und Systemverächter könnten sich in der Behauptung von der Unfähigkeit demokratischer Parteien und des demokratischen Systems suhlen. Aber in einer namentlichen, also offenen Abstimmung, ist es nachvollziehbar, wer für oder gegen wen gestimmt hat. Das dürfte auf alle Seiten disziplinierend wirken.

Der Demokratie tut diese Vertrauensfrage keinen Abbruch, es ist das vorgesehene Instrument im Falle fehlender Mehrheiten.

Von Brandt bis Schröder: Kanzler stellten Vertrauensfrage bisher fünf Mal

Was der Demokratie allerdings schadet, ist der Vorlauf des Koalitionsendes und auch manche Begleitmusik im Anschluss. Die Ampelkoalition ist gescheitert an der Kompromissunfähigkeit manch ihrer Protagonisten, die schlechte Umfragewerte und Landtagswahlergebnisse zum Anlass immer weiterer Eskalation nahmen, statt als Ansporn, Lösungen zu finden.

Populisten als schlechtes Vorbild

Sie ist gescheitert an jenen, die sich Lautstärke und den Missmut der Populisten zum schlechten Vorbild nahmen, und auch deren Reduzierung von Politik auf Schlagworte – statt sich selbstbewusst zum Aushandeln zu bekennen. Im folgenden Ringen um Vertrauensfrage und Neuwahl haben auch demokratische Parteien zuweilen das rechte Maß vermissen lassen, manche tun es noch in der Verbissenheit ihrer vorgezogenen Koalitionsdebatten.

Das aber muss eine der ersten Lehren aus dem Scheitern der Ampel sein: Dass die Populisten nicht nur nicht an die Macht kommen, sondern auch nicht den Ton setzen dürfen. Und die Beteuerung der eigenen Ernsthaftigkeit reicht da nicht, wenn im nächsten Satz das Gegenteil bewiesen wird. Das ist dann nicht nur absurd und tragisch, sondern vor allem nicht verantwortungsbewusst.