
Der Verteilungskampf ums Geld in der Ampelkoalition und zwischen Bund sowie Ländern wird sich nun verschärfen. Dass Bundesfinanzminister Christian Lindner nach der Steuerschätzung keine Spielräume für weitere Ausgaben sieht, wird die Fachpolitiker sowie die Länderchefinnen und -chefs nicht davon abhalten, Maximalforderungen zu erheben.
Doch wenn der Bund und die Länder am 6. November erneut zu Beratungen zusammenkommen, müssen sie sich auf das Wesentliche konzentrieren: darunter die Reduzierung des Zuzugs von Flüchtlingen und eine langfristige Finanzierungsvereinbarung für deren Versorgung, um die Kommunen zu unterstützen.
Die Regierungschefs sollten sich hüten, diese zentrale Frage immer wieder von Jahr zu Jahr zu vereinbaren, statt eine dauerhafte Lösung zu finden. Ein erneutes Vertagen ist der Gesellschaft, die spürbare Veränderung in Sachen Migration fordert, nicht mehr zu vermitteln.
Dilemma der FDP
Debatten werden unter anderem auch über den ÖPNV und das Deutschlandticket erwartet. Die Länder und Kommunen schlagen schon seit Monaten Alarm, dass der Tarif von 49 Euro im Monat nicht mit den zur Verfügung stehenden drei Milliarden Euro pro Jahr zu halten ist. Auch hier braucht es eine gangbare Lösung: Beispielsweise könnten sich Bund und Länder auf die Pflicht einigen, die Mehrkosten für das kommende Jahr je zur Hälfte zu übernehmen. Danach sollte evaluiert werden, ob das Ticket überhaupt den gewünschten Klimaschutzeffekt hat und zur Reduzierung des Tarifdschungels beiträgt. Sonst macht dieses Projekt wenig Sinn.
Die Haushaltslage wird angespannt bleiben. Eine Aufweichung oder Reformierung der Schuldenbremse ist mit der FDP nicht zu machen, auch wenn es die Grünen im Akkord fordern. So verständlich das auch ist, muss auch die Ökopartei einsehen, dass sich die Liberalen in einer Bredouille befinden: Wenn die FDP die Schuldenbremse aufgeben würde, würde sie mit ziemlicher Sicherheit weitere Wählerstimmen verlieren und womöglich 2025 aus dem Bundestag fliegen.
Instabilität können sich die Ampelkoalition und ganz Deutschland mit Blick auf die Umfragewerte der Rechtsradikalen nicht leisten. Das heißt aber nicht, dass sich die FDP nicht auch bewegen muss: Der Abbau unnötiger Subventionen, zum Beispiel die Reformierung der Dienstwagenpauschale, würde mehrere Milliarden Euro einsparen.
Bei weiterem Streit wird die Ampel-Koalition weiter verfallen
Grundsätzlich muss sich die Ampel fragen, welche Projekte in Zeiten von Krieg, Krisen und schwächelnder Wirtschaft überhaupt noch finanzierbar sind - und welche reformiert oder gestrichen werden müssen. Deutschland braucht einen starken Sozialstaat, doch die Anreize im Bürgergeldsystem zur Aufnahme von Arbeit, sind zu gering - und damit ist das System an sich zu teuer. Hier muss die Bundesregierung alle Register ziehen, damit Menschen schneller in Arbeit kommen. Zudem muss sich die Ampel die Frage stellen, welche Funktion eine Kindergrundsicherung, die aktuell eher nach nichts Halbem und nichts Ganzem aussieht, haben wird, und ob die dazu aufzubringenden Mittel in dieser Form bestmöglich verwendet werden.
All das müssen die Koalitionäre ohne Schaum vor dem Mund besprechen. Es ist zweifelhaft, ob dies überhaupt noch möglich ist. Wie die Ampel die Haushaltsberatungen gestaltet, wird entscheidend sein für die weitere Arbeit der Koalition. Schlägt sie sich die Köpfe ein, dann wird das Bündnis weiter verfallen. Kann sie noch einmal zu einem Vertrauensverhältnis zurückkommen, hat die Koalition noch eine Chance, in einen konstruktiven Modus zu kommen, der die Demokratie stärkt und die extremen Ränder schwächt.