
So viel kann man schon vor den Wahlen in Bayern und Hessen sagen: Es wird unruhig in den Berliner Parteizentralen am Tag danach. Die Abstimmungen werden Hinweise darauf geben, welche Defizite die Wählerinnen und Wähler in der aktuellen Politik erkennen und welche Erwartungen sie damit schon für die nahe Zukunft verbinden. Die Antworten darauf muss die Bundespolitik geben.
Sollte die Stimmungslage nicht vollends täuschen, darf man folgende Botschaften vorhersagen. Erstens: Der Bundeskanzler wird die Höhle einsamer Entscheidungen verlassen, künftig Entscheidungen zunächst treffen und dann öffentlich nachvollziehbar begründen müssen. Das gilt nach dem desaströsen Management beim sogenannten Heizungsgesetz für alle noch offenen Fragen von der Kindergrundsicherung bis hin zur Absicherung von Investitionen der Wirtschaft.
Da zögert der Kanzler trotz zunehmenden Entscheidungsdrucks nach wie vor beim Industriestrompreis. Man kann solche Wirtschaftshilfen für Konzerne kritisch sehen. Ohne sie drohen in der aktuellen Wachstumskrise relevante Investitionsentscheidungen gegen den Standort Deutschland, im schlimmsten Fall auch Schließungen von Standorten. Darauf verlangen mindestens SPD und Grüne Antworten von Scholz. Sein Zögern reicht nicht mehr.
Existenzielle Fragen jenseits der Kanzlerkandidatur
Zweitens: Für die Union stellen sich nach Hessen und Bayern ebenfalls durchaus existenzielle Fragen ganz jenseits der Kanzlerkandidatenfrage. Neben der mindestens in Teilen rechtsradikalen AfD werden sich mit den Freien Wählern relevante Wählergruppen deutlich rechts von CDU und CSU dauerhaft etablieren.
Ist die Antwort darauf die Ausrichtung der Parteien auf konservative, ordoliberale Inhalte oder behält die dritte Wurzel der christlich-sozialen Ausrichtung ihren Stellenwert? Das wird die Frage sein, mit der sich die Parteiführungen beschäftigen müssen. Dahinter erst, aber genau da, verbirgt sich auch die Antwort auf die Kanzlerkandidatenfrage.
Wähler erwarten klare Antworten
Drittens: Grüne und FDP treibt die berechtigte Sorge um eine stabile Identität um. Die Öko-Partei pendelt zwischen ihren – für breite Teile der (Groß-)Stadtbevölkerung attraktiven – ökologischen Zukunftsthemen und ihren unzureichenden Antworten auf die Frage, wie die Mehrheit der Bürger mit knappen Kassen dafür gewonnen werden könnte. Und auch in der FDP ist die Richtungsfrage zwischen einem eher konservativ-wirtschaftsliberalen oder eher sozialliberalen Kurs unentschieden.
Das alles reicht den Wählern, die im Übrigen den demokratischen Parteien insgesamt mit überwältigender Mehrheit noch einmal ihr Vertrauen bestätigen werden, als Zukunftsentwurf nicht mehr aus. Sie wollen klarere Antworten. Spätestens ab Montag.