In einer Woche jährt sich die NRW-Landtagswahl. Und somit die historische Wahlniederlage der SPD. Zwölf Monate später hält der Krisenmodus der Genossen noch immer an. Der größte und wichtigste Landesverband der Sozialdemokratie hat noch immer keine plausible Antwort formuliert, wofür es ihn braucht.
Dadurch, dass der gescheiterte Spitzenkandidat Thomas Kutschaty noch zehn Monate im Amt blieb, hat die NRW-SPD Zeit für eine wirkliche Neuausrichtung verloren. Die ist zwar jetzt möglich – und wäre spätestens zur nächsten Vorstandswahl in zwei Jahren ohnehin eingetreten, da die Unzufriedenheit mit Kutschaty intern seit Monaten sehr groß war. Doch es sagt viel über den aktuellen Zustand der Landespartei aus, wenn diese nach einem ersten größeren Treffen wie jetzt in Münster vor allem die Botschaft aussendet, künftig wieder geschlossen agieren zu wollen.
Natürlich muss dies im Zuge einer Neuaufstellung der erste Schritt sein. Doch die Wählerinnen und Wähler setzen das zurecht als Selbstverständlichkeit voraus. Auch der häufige Reflex politischer Kräfte, unmittelbar nach einem Personalwechsel das Gefühl von Aufbruch und Zuversicht verbreiten zu müssen, dürfte von vielen Menschen schnell als bemühter Zweckoptimismus verstanden werden.
Welche Themen sind untrennbar mit der NRW-SPD verbunden?
Noch ist nicht zu erkennen, was die NRW-SPD nun genau anders machen will, außer, dass sie nicht mehr von Kutschaty angeführt wird. Lediglich die politische Spitze auszuwechseln, um dann doch irgendwie weiterzumachen wie bislang, würde die größte Krise des Landesverbandes nicht beenden.
Die neue Führungsmannschaft wird für sich klären und für jedermann deutlich machen müssen, wofür sie inhaltlich konkret steht. Welche Themen sind untrennbar mit ihr verbunden? Wo bietet sie eine erkennbare Alternative zur Landesregierung von CDU und Grünen an, die stark auf die politische Mitte abzielt – aber durchaus und nicht nur in der Schulpolitik Angriffsfläche bietet? Dieses klare Profil fehlte der SPD bei der Landtagswahl vor einem Jahr und – fehlt ihr noch immer.
Vieles spricht in Zeiten multipler Krisen, starker Kostensteigerungen, Miet-Wucherpreisen und riesiger Herausforderungen in den Kita- und Pflegebereichen dafür, dass die SPD ihren sozialen Flügel wieder stärkt und zudem im Bereich der Klimapolitik eine Antwort findet, wie mehr Klimaschutz auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel möglich ist. Das setzt Gründlichkeit und Kampagnenfähigkeit voraus; doch viel Zeit bleibt der NRW-SPD dafür nicht. In einem Jahr steht die Europawahl und in zwei Jahren die wichtige Kommunalwahl an.