Kopf der Woche

Roger Cicero im Interview über sein Leben als Musiker und Vater

Einer der bekanntesten Jazzmusiker Deutschlands

29.03.2016 | 29.03.2016, 13:30

Roger Cicero gehörte zu den bekanntesten Jazz- und Popmusikern Deutschlands. Am 24. März 2016 starb der 45-Jährige überraschend an den Folgen eines Hirninfarktes. In einem Interview mit der Neuen Westfälischen sprach Cicero über sein Leben als Musiker und Vater.

Herr Cicero, Sie tragen den Titel Krawattenmann des Jahres 2007, dabei ist Ihr Markenzeichen doch Ihr Hut.
Roger Cicero:
(Lacht.) Ja, mein Hut ... Über den wird ab und zu mal spekuliert.

Weil Sie ihn immer tragen?
Cicero:
Wenn ich auftrete zumindest. Er gehört fest zu meinem Bühnenoutfit. Privat bin ich aber manchmal ohne unterwegs. Das ist für mich wie eine Verkleidung - nur, dass ich etwas weglasse.

Information

Zur Person

  • 1970 in Berlin geboren.
  • 2007 trat Roger Cicero für Deutschland beim Eurovision Song Contest an. Dort belegte er den 19. Platz.
  • Sein Debütalbum "Männersachen" verkaufte sich bis Anfang 2009 über eine Million Mal.
  • Roger Cicero starb am 24. März 2016.

Sie sind seit Mitte September auf Tournee und treten bis Ende Oktober fast jeden Abend auf. Ist das anstrengend?
Cicero:
Das ist erst mal natürlich total schön, jeden Abend vor meinem Publikum zu stehen. Aber es ist in der Tat auch anstrengend. Mein Programm ist textlastig, ich muss mich immer sehr konzen-trieren. Mit Telepromptern kann ich nicht gut arbeiten, weil sie für mich irgendwie zwischen mir und den Menschen stehen. Ich mag aber den direkten Draht, ich will mein Publikum sehen, keinen Monitor. Was das Körperliche betrifft, bin ich aber fit. Ich mache Poweryoga, darum habe ich viel Energie.

Poweryoga? Wie sind Sie denn darauf gekommen?
Cicero:
Eine Freundin von mir hat das früher unterrichtet. Ich bin damals mal mitgegangen und habe gemerkt, wie anstrengend das ist. Echt Power. Ich hatte nur von diesen Bewegungen, ohne Geräte, am nächsten Tag fürchterlichen Muskelkater. Das hat mir gezeigt, dass es den ganzen Körper fordert. Darum bin ich dabeigeblieben.

Wie läuft denn ein typischer Konzertabend für Sie ab? Haben Sie Lampenfieber?
Cicero:
Ja natürlich! Hätte ich das nicht, würde das ja bedeuten, dass ich keine Lust hätte - oder hochnäsig wäre. Ich möchte meinem Publikum aber etwas geben, darum bin ich natürlich aufgeregt, bevor ich auf die Bühne gehe. Die Anspannung lässt erst langsam nach, wenn ich draußen bin und merke, dass alles gut ist.

Wenn das Publikum reagiert?
Cicero:
Ja, genau. Wenn ich es schaffe, alle zu packen und zu begeistern - das ist unbeschreiblich schön. Es kommt wie eine Welle zu mir zurück.

Wie ist Ihre Stimmung nach so einem Auftritt?
Cicero:
Glücklich. Die Euphorie trägt mich danach bestimmt noch ein, zwei Stunden. Aber dann bin ich richtig erledigt.

Perfekt, um ins Bett zu gehen: glücklich und müde.
Cicero:
Genau!

Sie legen mit Ihrem aktuellen Album einen Teil Ihres Lebens offen: die Trennung von Ihrer Freundin und ihrem Sohn im vergangenen Jahr. Warum haben Sie diesen öffentlichen Weg gewählt?
Cicero:
Ich hatte mich damals zuerst natürlich zurückgezogen, weil es mir sehr schlecht ging. Die Trennung war wie eine Vollbremsung mitten im Leben. Es hat sich angefühlt wie eine Art Orientierungslosigkeit. Sehr anstrengend, aber auch wichtig, weil sich nur daraus etwas Neues entwickeln konnte. Ich habe damals viel nachgedacht und mit meinen engsten Freunden geredet. Irgendwann war ich dann so weit, dass ich etwas daraus machen wollte. Meine Gefühle wollten raus, und mein Ventil ist nun mal die Musik.

Haben Sie Ihr Leben in Songs verpackt?
Cicero:
Nein, meine Lieder sind keine Tagebucheinträge. Ich habe versucht, Stimmungen und Gefühle musikalisch einzufangen und wiederzugeben.

Wie haben Sie das gemacht?
Cicero:
Viel geredet und probiert. Ich habe jemanden, mit dem ich zusammenarbeite. Ich habe ihm erzählt, was mich bewegt, er hat es aufgeschrieben, daraus eine Zeile oder eine ganze Strophe gemacht, dann haben wir wieder geredet, ich habe korrigiert ... Ein langer, kreativer und sehr schöner Prozess, in dem ich mir selbst auch noch mal nähergekommen bin.

Wie geht es Ihnen jetzt, danach?
Cicero:
Meine Ex-Freundin und ich haben einen guten Weg miteinander gefunden. Ich habe ihr auch alle Songs vorgespielt - sie fand sie toll, das hat mich natürlich gefreut. Die Trennung war schwierig, vor allen Dingen wegen unseres Sohnes Louis, aber wir haben es gut gemeistert.

Wie oft sehen Sie Ihren Sohn?
Cicero:
Louis und ich sind jede Woche zwei Tage zusammen. Zwei wunderbare Tage, an denen ich nur Vater bin. Ich arbeite dann nicht und verbringe die Zeit nur mit ihm.

Wie machen Sie das, wenn Sie auf Tournee sind?
Cicero:
Louis ist sechs, ich habe ihm erklärt, dass ich ein paar Wochen lang Konzerte geben muss, dass wir aber immer telefonieren können. Es ist für ihn in Ordnung. Er ist sogar ein bisschen stolz und erzählt herum, dass sein Papa Musiker ist. Das ist sehr süß!

Erinnert Sie das an sich selbst und Ihren Vater, der ja auch ein bekannter Musiker war?
Cicero:
Ja, ich denke oft an meinen Vater, wenn ich mit Louis zusammen bin. Aber trotzdem ist es ganz anders. Mein Vater war immer sehr viel unterwegs. Ich versuche, mehr Zeit mit Louis zu verbringen.

Ihnen wurde die Musik ja quasi in die Wiege gelegt. Wollten Sie nie etwas anderes machen?
Cicero:
Nein. Das lag aber daran, dass ich lange gar keine Idee hatte, was ich überhaupt machen will. Und die Musik war immer da. Ich habe schon als Kind Gitarre gespielt, auch schon damals gerne vor Publikum. Darum war es wohl einfach logisch, dass ich das irgendwann professionell mache.

Es war also nie wirklich geplant?
Cicero:
Nein, ich bin immer einen Schritt nach dem nächsten gegangen. Ich plane ja sowieso nicht so gerne. Ich erledige lieber alles in der Gegenwart. Dass ich jetzt schon Konzerttermine für den nächsten Sommer habe, ist für mich zum Beispiel schon wahnsinnig weit gedacht.

Was haben Sie gegen Pläne?
Cicero:
Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass sich alles ständig ändern kann.

Damit wären wir wieder bei Ihrem Album "Was immer auch kommt".
Cicero:
Stimmt. Das ist auch das, was mich bewegt. Mein Leben ist endlich, ich bin mir dessen bewusst - und finde das auch wichtig.

Welchen Wunsch hätten Sie denn für die Zukunft?
Cicero:
Das kann ich gar nicht sagen. Ich möchte gerne einfach im Moment, in der Gegenwart zufrieden sein. Wobei das mit Kind natürlich manchmal nicht so leicht ist (lacht). Da sind die Veränderungen von heute auf morgen ja schon enorm.

Hat sich Ihr Blick auf das Leben seit der Geburt Ihres Sohnes verändert?
Cicero:
Das kann man wohl sagen: Da war plötzlich so ein kleiner Mensch und mein Herz ist vor Vaterliebe und Beschützerinstinkt übergeflossen. Das ist ein schönes Gefühl und wird auch in Zukunft so bleiben. Das ist tatsächlich etwas, was ich jetzt schon mit Sicherheit sagen kann!