Christiane F. ist zurück

"Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" - 5 Gründe, warum die Serie ein Muss ist

Ein Streamingdienst hat sich an ein deutsches Kulturgut gewagt und erzählt die Geschichte der Christiane F. neu. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Christiane F. | © Constantin Television GmbH / Amazon Studios / Soap Images

Angela Wiese
18.02.2021 | 08.10.2021, 11:40

Bielefeld. Die Erinnerungen der Christiane F. an ihren elenden Absturz als Fixerin in West-Berlin dienten vielen Generationen als Mahnung und Abschreckung vor Drogen. Das 1978 vom Stern publizierte biografische Buch gilt als erfolgreichstes Sachbuch der Nachkriegszeit. Den 1981 erschienenen Film von Regisseur Uli Edel und Produzent Bernd Eichinger sahen Millionen. Lässt sich so ein Stoff ins Heute übersetzen? Streamingriese Amazon Prime Video zeigt gemeinsam mit der Elite des deutschen Films, dass das geht. Es gibt gute Gründe, diese neue deutsche Serie zu feiern.

Die Geschichte
Anders als der Kinofilm, bohrt die Serie den Inhalt des Buches viel mehr auf. Über mehrere Jahre begleitet das Publikum Christiane und ihre Freunde Stella, Axel, Benno, Babsi und Michi, feiert mit ihnen im Berliner Nachtleben, stürzt mit ihnen ab, lernt ihre familiären Hintergründe und üblen Abgründe kennen. Die biografische Vorlage wird mit Fiktion ergänzt. Das Ergebnis entwickelt schon in der ersten Folge eine Sogwirkung. "Ein wesentlicher Aspekt der Adaption war es, Christiane zwar ins Zentrum der Serie zu stellen, aber nahezu gleichwertig auch die Geschichten ihrer Freundinnen und Freunde zu erzählen", sagt Sophie von Uslar (Tannbach, Operation Zucker), die die Serie gemeinsam mit Oliver Berben (Er ist wieder da) produziert.

Die Charaktere
Die größte Sogwirkung dieser Serie geht von der Entwicklung aus, die die Charaktere durchlaufen. Die stolpern anfangs mit einer Naivität über harte Drogen, wie man sie nur an den Tag legen kann, wenn man noch nie was von Christiane F. gehört hat. Das mutet manchmal seltsam an, wenn etwa Christiane verkündet, sie wolle jetzt doch mal Heroin probieren, auch mal drücken. Diese Leichtfertigkeit wird durch herbe Abstürze durchbrochen.

v.l.: Stella (Lena Urzendowsky), Axel (Jeremias Meyer), Christiane (Jana McKinnon), Benno (Michelangelo Fortuzzi), Babsi (Lea Drinda) und Michi (Bruno Alexander). - © Constantin Television/Amazon
v.l.: Stella (Lena Urzendowsky), Axel (Jeremias Meyer), Christiane (Jana McKinnon), Benno (Michelangelo Fortuzzi), Babsi (Lea Drinda) und Michi (Bruno Alexander). | © Constantin Television/Amazon

Den Zuschauer fesselt bald schon die Frage, wie es mit den Figuren weiter - oder eben auch vielleicht zu Ende geht. Bloß gut, dass Regisseur Philipp Kadelbach und Head-Autorin Annette Hess die 70er- und 80er-Jahre so unverkrampft abhandeln. Die Sprache von damals wirkt in dieser Serie an keiner Stelle peinlich übertrieben.

Die Schauspieler
Die brillante Darstellung nicht nur der Jana McKinnon als Christiane F., sondern aller Beteiligten, lässt das Publikum mitfiebern. Die Schauspieler sind mitreißend, ob sie nun im Berliner Club "Sound" tanzen und darin völlig aufgehen oder auf Entzug die Hotspots abklappern und sich Schritt für Schritt dunkelsten Abgründen öffnen, nur um an Drogen zu kommen.

Die Bilder
Um ins alte West-Berlin zu gelangen, baute man in Prag eine riesige Kulisse auf, so Hess. „Beim Bahnhof Zoo war uns wichtig nah am Original zu bleiben, weil er so authentisch war." Ansonsten verzichteten die Macher zum Glück darauf, allzu angestrengt die damalige Szenerie nachzubauen und setzten stattdessen auf starke Bilder, die Berlin schon mal in die Berge verlegen.

Abheben im Club. - © Constantin Television GmbH / Amazon Studios / Josef Fischnaller
Abheben im Club. | © Constantin Television GmbH / Amazon Studios / Josef Fischnaller

In den Rauschszenen schlittert die Serie stets haarscharf an einer Verherrlichung vorbei.  Den Gegenpol zum Drogengenuss bilden recht explizite Vergewaltigungs- und Prostitutionsszenen, die teilweise schwer erträglich sind. Doch es sind eben diese Brüche und die gezeigte Verwahrlosung der Figuren, die diese Serie davor bewahren, eine einzige Party zu sein.

Die Musik
Auch hier macht sich bezahlt, dass die Macher die Serie tatsächlich ins Heute übertragen, statt musikalisch ausschließlich in der Vergangenheit zu verharren. Über die David-Bowie-Szenen muss sich jeder eine eigene Meinung bilden. Dass seine, für diese Serie unverzichtbare Musik mit modernen Pop- und Techno-Klängen gemixt wird, passt zur ganzen Linie dieser Serie.

Die Serie ist ab dem 19. Februar auf Amazon Prime Video zu sehen.