Bielefeld. Eine genaue Definition für den Begriff "Person mit Migrationhintergrund" gibt es in Deutschland bis heute nicht. Viele Menschen mit Migrationshintergrund wurden in Deutschland geboren. Ihre Eltern oder Großeltern stammen jedoch aus den anderen Ländern.
Auch Kinder deutscher Eltern, die im Ausland geboren wurden, gelten in vielen Statistiken als Personen mit Migrationshintergrund. "In der aktuellen Statistik von IT NRW geht es hingegen explizit um Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft ist", betont Pressesprecherin Claudia Key. Dabei spiele keine Rolle, ob die Eltern aus den Krisengebieten oder der EU stammen.
Wie beeinflusst der hohe Anteil an Kindern mit ausländischen Wurzeln den Alltag in den OWL-Kitas, wie wichtig ist bei ihnen die Sprachförderung und welche Angebote gibt es für Flüchtlingskinder - wir haben uns umgehört.
Flüchtlinge:
Ab Vollendung des ersten Lebensjahres haben Kinder aus den Flüchtlingsfamilien, die einer Kommune zugewiesen worden sind, genau wie nicht geflüchtete Kinder einen Anspruch auf einen Kita-Platz.
In Bielefeld und mehreren OWL-Kreisen besuchen solche Kinder bereits Kindergärten oder sind in Betreuung der Tagesmütter. Die Aufnahme in Kindertagesbetreuung erfolgt jedoch oftmals zeitlich verzögert. Zum einen ist den geflüchteten Eltern das deutsche Betreuungssystem oftmals neu. Hinzu kommt, dass viele Eltern nach teilweise gefährlicher Flucht ihre Kinder zunächst einmal ungerne "aus der Hand" geben.
Kulturelle Unterschiede:
Die meisten Menschen, die außerhalb von Deutschland geboren wurden, legen Wert darauf, dass ihre Kinder die Kultur und Gebräuche ihrer Heimatländer kennenlernen.
"Die Herausforderung, sich auf eine sehr heterogene Gruppe von Kindern unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichem Entwicklungsstand und unterschiedlichem familiären Hintergrund einzustellen, ist für Kitas nicht neu", sagt Gisela Schimanski-Hildebrandt von der Abteilung für Jugendhilfeplanung im Kreis Herford. "In diesem Zusammenhang berücksichtigen Kitas auch die kulturelle Vielfalt, die die betreuten Kinder und ihre Familien mitbringen." Im Kreis Höxter haben rund 25.000 von knapp 143.000 Menschen eine Zuwanderungsbiografie, so die Pressestelle des Kreises. "Kulturelle Vielfalt gehört damit zum Alltag auch in Kindertageseinrichtungen", sagt Pressesprecherin Silja Polzin. Deswegen hat das Kommunale Integrationszentrum des Kreises im Herbst 2015 die Fortbildung "Interkulturelle Kompetenz erlernen" speziell für Erzieher in Kindertageseinrichtungen angeboten.
Die Schwerpunkte der Fortbildung waren unter anderem solche Themen wie unterschiedliche kulturellen Hintergründe von Zugewanderten, Selbst- und Fremdwahrnehmung, kulturelle Identität, Achtung und Toleranz. Eine weitere Fortbildung rund um das Thema ist laut Polzin für dieses Jahr geplant.
Sprachförderung:
Bei jedem fünften Kita-Kind in OWL (19,3 Prozent) wird laut IT NRW in der Familie vorrangig nicht deutsch gesprochen. Um die sprachliche Kompetenz der Kinder zu verbessern, setzen die meisten Kitas auf die alltagsbegleitende Sprachförderung. "Die gute Beziehung zu dem Kind ist die Grundlage für den Spracherwerb", erklärt Ingo Nürnberger, Sozialdezernent der Stadt Bielefeld. Der Alltag in den Kitas mit einem hohen Anteil an Kindern, die eine andere Muttersprache als Deutsch sprechen, sei davon bestimmt, zunächst einen guten Kontakt zu den Kindern herzustellen. Für Kinder, die ohne Kenntnisse der deutschen Sprache in die Kita kommen, werde am Anfang eine 1:1-Betreuung ermöglicht.
"Im Kindergartenalter können Kinder sehr schnell eine neue Sprache erlernen", sagt Miriam El-Dajani vom Kommunalen Integrationszentrum (KI) der Stadt Bielefeld. Erwachsenen Einwanderern, die Schwierigkeiten mit Deutsch haben, steht wiederum der KI-Dolmetscherdienst zur Seite, der unter anderem Eltern bei der Schulanmeldung der Kinder unterstützt.
Speiseplan:
Vor allem das Thema Schweinefleisch ist sehr wichtig für die Eltern mit muslimischer Religion. "Ist in Senf Schwein drin?" - diese Frage eines Fünfjährigen in einer der Bielefelder Kitas zeigt, dass Kinder bereits im Kindergartenalter in einen Gewissenskonflikt geraten können. Das ist einer der Gründe, warum in allen städtischen Kitas in Bielefeld seit rund 15 Jahren auf Schweinefleisch verzichtet wird. Dem Wunsch, das Rindfleisch halal zu schlachten, wird hingegen bis jetzt widersprochen. "Die Integration der Familien zeigt sich an dem selbstverständlichen Respekt füreinander", betont Sozialdezernent Ingo Nürnberger.
Respekt gegenüber den unterschiedlichen Kulturen mit unterschiedlichen Religionen spielte dabei eine entscheidende Rolle. "Die Frage nach der Esskultur stellt sich bei jedem einzelnen Kind", sagt Gisela Schimanski-Hildebrandt vom Kreis Herford. Die meisten Kitas stimmen dabei die Essensfrage des Kindes mit den Eltern individuell ab. "Es gibt Kinder, die kein Schweinefleisch essen. Es gibt Kinder, die kein Fleisch essen. Es gibt Kinder, die allergisch auf bestimmte Lebensmittel reagieren. Alles wird berücksichtigt", erklärt die Expertin.