Bielefeld. Erzieherische Vernachlässigung, körperliche und psychische Gewalt oder Missachtung der Menschenwürde – Sobald der Verdacht auf die Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Kinder besteht, muss der Staat aktiv werden. Allein im vergangenen Jahr haben die Jugendämter in OWL in 3.168 Fällen eine Einschätzung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorgenommen, so IT NRW. Das ist um acht Prozent mehr als im Jahr davor.
Zum Vergleich: Im Jahr 2012 waren es „nur“ 2.664 Fälle. Obwohl in den meisten Fällen keine Kinderwohlgefährdung festgestellt wurde, bleibt die Gesellschaft in OWL nach den Einschätzungen der Mitarbeiter der Jugendämter nach wie vor hoch sensibilisiert. Warum steigt die Anzahl der Warnsignale, wie kann man die Gefahr der Gefährdung vermeiden und wo liegt der Unterschied zwischen einer latenten und einer akuten Kindeswohlgefährdung – Elena Gunkel hat das recherchiert.
Erhöhte Sensibilisierung
Knapp 8.750 Mal mussten die Jugendämter in OWL in den vergangenen drei Jahren überprüfen, ob der Wohl der Minderjährigen gefährdet wird. Obwohl in den meisten Fällen keine Kindeswohlgefährdung festgestellt wurde, mehrte sich die Anzahl der Alarmsignale an die Jugendämter der Region seit 2012 jährlich, so die Statistik. Sind die Menschen in OWL besonderes sensibilisiert, wenn es um das Thema Kinderschutz geht?„Eindeutig ja“, sagt Birgit Rohde, Leiterin der Abteilung Jugend, Familie und Sozialer Dienst im Kreis Gütersloh. Einer der Gründe dafür seien einzelne dramatische Fälle, die in den vergangenen Jahren eine sehr starke Beachtung in den Medien fanden. Magdalena Grawe leitet das Fachgebiet Soziale Dienste im Kreis Lippe. „Insbesondere seit Inkraftreten des neuen Kinderschutzgesetzes sind viele Menschen darauf sensibilisiert, genauer hinzuschauen“, betont sie. „Das bedeutet, es wird eher eine Meldung vorgenommen.“
Netzwerk "frühe Hilfen"
Um Risiken für die gesunde Entwicklung von Kindern frühzeitig zu erkennen, wurde im Bielefelder Jugendamt 2007 das Konzept „Kinderschutz durch Prävention“ entwickelt. Noch bevor alle deutschen Jugendämter durch das neue Bundeskinderschutzgesetz 2012 dazu verpflichtet wurden, soziale Frühwarnsysteme bei sich zu etablieren, wurde in Bielefeld das Netzwerk „Frühe Hilfen“ ins Leben gerufen. Das Netzwerk bestehend aus Ärzten, Hebammen, Lehrern und anderen Personen und Institutionen, die Kontakt mit Kindern haben, hat das Ziel, negative Einflüsse auf die Entwicklung der Kinder so früh wie möglich zu erkennen, um der Familie rechtzeitig Hilfe zu bieten.Das Ergebnis dieser Arbeit zeigt die Statistik. „Während die Zahl der Fälle der akuten Kindeswohlgefährdung auf der Landesebene im Vergleich zu 2012 gestiegen ist, ist die Tendenz in Bielefeld seit Jahren eher rückläufig“, berichtet Georg Epp, Leiter des Jugendamtes. „Ähnlich sieht es im Bereich der Inobhutnahme aus. In den vergangenen Jahren ging die Zahl solcher Fälle zurück“, sagt Epp. Auch im Kreis Gütersloh ist das Netzwerk aktiv. Nach Angaben der Pressestelle des Kreises ist das System in den zehn Kommunen etabliert, für die der Kreis Gütersloh als Jugendamt zuständig ist.
Sehen Sie hier die Verfahren der Jugendämter bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung im Jahr 2014 in Ihrem Kreis: