Ein Schöffe aus Salzkotten berichtet: „Ich möchte zu fairen Prozessen beitragen“

Kreis Paderborn. Wenn er nach einem aufwühlenden Tag im Gericht die Gedanken sortieren muss, nimmt er den Hund mit und setzt sich aufs Rad. Die Aufgabe als Schöffe ist für Diethelm Krause (67) auch nach zehn Jahren keine Sache, die er auf die leichte Schulter nimmt. Viele Eindrücke wirken nach. Schließlich steht im Gerichtssaal die Zukunft von Tätern und Opfern auf dem Spiel. Krause sagt: &bdquo;Es geht mir darum, mitzuhelfen, für Gerechtigkeit zu sorgen.“ Beruflich war er Geschäftsführer eines Einkaufsverbands im Gastronomiegroßhandel, ist bis heute Präsident des Kreissportbundes, Vizepräsident im Landessportbund, sitzt für die CDU im Kreistag und ist Ortsvorsteher für sein Niederntudorf. &bdquo;Wenn es um Termine geht, hat das Schöffenamt aber immer Priorität. Pflichtgefühl gehört dazu“, sagt er. Im nächsten Jahr beginnt die neue fünfjährige Schöffenperiode (siehe Infokasten), Krause stellt sich auch wieder zur Wahl. Damit begonnen habe er, um sein Rechtsempfinden zu schärfen, sagt Krause beim Gespräch im Tudorfer Wohnzimmer. Er ist Schöffe für Jugendstrafsachen am Landgericht, 38 weitere Menschen sind ebenfalls dafür gewählt. Am Landgericht Paderborn sind zusätzlich 89 für das Erwachsenenstrafrecht zuständig. 70 Schöffen sind am Amtsgericht Paderborn tätig, das Amtsgericht Delbrück ist kein Schöffengericht. &bdquo;Wir bringen eine empathische Komponente rein“ Krause will von 2024 bis 2028 seine letzte Periode absolvieren. Die Motivation: &bdquo;Ich möchte zu fairen Prozessen beitragen und Opfern zu ihrem Recht verhelfen.“ Dafür nimmt er in Kauf, dass seine Jahresplanung als Rentner vom Kalender des Gerichts abhängt. 30 Termine bekomme er zum Jahresende für das Folgejahr zugeschickt. Davon falle etwa die Hälfte ein bis zwei Wochen vorher aus. Zu den fixen Terminen kommen dann aber mitunter auch Folgetermine innerhalb eines Prozesses hinzu. Honorare gibt’s für Laienrichter nicht, nur eine Aufwandsentschädigung, Fahrtkosten – und bei Berufstätigen wird der Verdienstausfall erstattet. Da das Schöffenamt ein Ehrenamt ist, das man grundsätzlich nicht ablehnen darf, müssen Arbeitgeber die Mitarbeiter freistellen. Der Einfluss von Schöffen auf Urteile und Strafmaß ist groß: &bdquo;Es gilt die Zwei-Drittel-Mehrheit“, erläutert Krause mit Blick auf die Besetzung des Gerichts. Meist sei es durch zwei hauptamtliche Richter und zwei Schöffen besetzt, es gibt aber auch Konstellationen von drei Richtern und zwei Schöffen. &bdquo;Dann wird um die besten Argumente gerungen“, sagt Krause. Die große Besetzung in einem Verfahren bedeutet auch, dass das Gericht mit allen fünf Richtern immer komplett anwesend sein muss, sonst wird der Prozess abgebrochen und muss neu aufgerollt werden. &bdquo;Das will niemand, deshalb unternehme ich immer alles, um dabei zu sein. Einmal hat mich meine Frau sogar für einen halben Tag aus dem Krankenhaus geholt“, erinnert sich Krause. Der Prozess, der ihn am meisten umgetrieben hat, war der sogenannte Bürener Scheunenmord. 2014 hatte ein damals 19-Jähriger aus Geseke seinen besten Freund brutal getötet. Krause war Teil der Kammer, die den Täter verurteilte. Die Eltern des Opfers legten erfolgreich Revision ein, es folgte eine zweite Verurteilung in Paderborn. &bdquo;Auch in solch einem Fall muss man sich alle Beweise im Verfahren genau anschauen. Da gibt es auch unschöne Sachen zu sehen“, erinnert sich Krause. Der Scheunenmord war bislang sein einziger Fall, in dem ein Mensch zu Tode gekommen ist. Im Richterzimmer sind Meinungen gefragt Ansonsten ist er in der Jugendstrafkammer häufig mit Körperverletzungen oder Raubüberfällen befasst. Immer wieder geht es aber auch um sexuellen Missbrauch an Kindern: &bdquo;Das sind Fälle, die mich mitunter total aufwühlen. Zum Glück habe ich einen gesunden Schlaf.“ Für Schöffen, sagt Krause, ist es wichtig, den gesunden Menschenverstand einzusetzen. Wenn auch Fragen im Prozess in der Regel nur vom Hauptrichter gestellt werden, sei die Meinung der Schöffen bei anschließenden Besprechungen im Richterzimmer sehr wohl gefragt: &bdquo;Wir sind nicht die studierten Juristen, aber ich erlebe von den Richtern viel Wertschätzung. Sie wollen wissen, wie wir die Geschehnisse im Prozess bewerten. Wir haben eben andere fachliche Qualifikationen und bringen eine empathische Komponente rein.“ Dass Schöffen zu Anfang ihrer Tätigkeit noch zurückhaltend in den Debatten mit den Jura-Profis sind, hält Krause für normal: &bdquo;Die Richter kennen ja auch sämtliche Akten und wir erfahren erst kurz vor Beginn des Prozesses, was ansteht. Im Verfahren geht es darum, gut zuzuhören und sich Wichtiges zu notieren.“ Eindrücke eines Verhandlungstages besprechen Schöffen und Richter dann gemeinsam. Krauses Eindruck: &bdquo;Dabei werden wir mitgenommen und nicht untergebuttert.“ Sein Fazit nach zehn Jahren als Laie auf der Richterbank: &bdquo;Ich weiß, dass unser Rechtssystem Macken hat, aber ich erlebe, dass es ehrlich, fair und offen zugeht. Alle wollen das Gleiche: faire Urteile.“

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