Ärger um Ticket-Chaos im Salzkottener Stadtbus

Salzkotten/Büren. Wäre in der Bäckerei ein halbes Brötchen teurer als ein ganzes, würde der Bäcker von der Kundschaft ausgelacht. Wenn beim Salzkottener Stadtbus eine halbe Fahrt auf der Linie Sk1 doppelt so teuer ist wie die komplette Strecke, dann ist das aktuell normaler Tarifwahnsinn - und Fahrgäste können nur den Kopf schütteln. Auch mehr als zwei Jahre nachdem Rainer Wester aus Upsprunge vom Fahrgastverband Pro Bahn auf den Missstand an der Strecke zwischen Salzkotten über Wewelsburg nach Tudorf hingewiesen hat, hat sich nichts getan. Am Jahresende hat der Sälzer Stadtrat beschlossen, dass Fahrten im Stadtgebiet demnächst nur noch einen Euro kosten sollen. Doch noch ist dieses Vorhaben längst nicht umgesetzt - und auf der Sk1 bleibt für die Tarifkonstrukteure ein Problem. Die 2017 eingeführte Linie verlässt unterwegs kurzzeitig Salzkottens Stadtgebiet und fährt ins aus Büren regierte Wewelsburg. Die für Normalbürger unsichtbare Grenze zwischen den Kommunen, stellt im ÖPNV-Tarif offensichtlich eine so hohe Hürde dar, dass sie mit gesundem Menschenverstand nicht überwindbar scheint. Bahn-Experte Wester, auch Mitglied der CDU-Fraktion im Sälzer Stadtrat, vergleicht die Tarifgrenze gar mit der Berliner Mauer. Obwohl die Busfahrpreise unter dem Dach des gemeinsamen Westfalen-Tarifs gefasst sind, existiere eine "nicht haltbare Fahrpreisgestaltung" nun schon seit Mitte 2017. Und die sieht so aus (siehe Grafik): Wer die ganze Tour von Salzkotten nach Tudorf fährt, bezahlt 2,60 Euro. Wer jedoch auf halber Strecke in Wewelsburg aus dem Bus steigt, muss mit 5,30 Euro mehr als doppelt so viel blechen. Als Grund gibt der Nahverkehrsverbund NPH an, dass der Salzkottener Stadtbus unterwegs ins Bürener Stadtgebiet fährt und damit ein zusätzliches Tarifareal berührt. Versprechen nicht eingehalten Linienbetreiber BVO (Busverkehr Ostwestfalen) weist auf Nachfrage der Neuen Westfälischen jegliche Verantwortung für das Fahrpreischaos von sich. Zuständig sei der NPH. Im Protokoll der NPH-Verbandsversammlung vom 1. Juli 2019 heißt es jedoch vom Verbandsvorsteher Ulrich Conradi, dass der NPH "keine Zuständigkeit und somit auch keine Steuerungsmöglichkeit besitzt". Einzig und allein die BVO als Betreiber könne "auf eine gerechtere Tarifgestaltung einwirken". Ergebnis der Versammlung: Der NPH fordert die BVO zu Veränderungen auf. Das Resultat: Es passiert nichts. Die wiederholte Empfehlung der Bahn-Pressesprecherin "bis Tudorf zu kaufen und unterwegs einfach auszusteigen" hält Wester nur für bedingt praktikabel. "Gerade beim Einstieg in Wewelsburg sind Fahrgäste auf einen informierten Fahrer angewiesen", sagt der Mann vom Fahrgastverband. Wer als Kunde nicht Bescheid wisse und den günstigen Fahrpreis deswegen nicht einfordere, zahle eben mehr. "Das kann die Pressestelle in Münster in noch so nette Texte hüllen".Um die Sache noch komplizierter zu machen, gibt es in umgekehrter Fahrtrichtung übrigens eine Sonderregelung. Auf dem Teilstück zwischen Tudorf und Wewelsburg gilt der von Salzkotten nach Wewelsburg nicht erhältliche Fahrpreis von 2,60 Euro. Demnach ist es also preislich auch noch ein Unterschied, wo genau der Bus von Wewelsburg aus ins Nachbarstadtgebiet von Salzkotten fährt. Zwischen Wewelsburg und Salzkotten-Tudorf gibt es also genau die Lösung, welche auf der anderen Seite verweigert wird. "Niemand sagt öffentlich, woran es liegt" Da eine Autofahrt in jede Richtung gleich viel kostet, sieht Wester im Denken in starren Tarifgrenzen grundsätzlich ein Problem. Als besonders ärgerlich empfindet er, dass kein Verantwortlicher über die Hintergründe aufgeklärt hat: "Bisher hatte niemand den Mut, öffentlich zu sagen, woran oder an wem es denn nun eigentlich liegt." Sollte am 25. Mai 2020, dem 1.000. Tag des Bestehens des Tarifchaos, keine Veränderung eingetreten sein, plant Wester während dieses Tages eine öffentliche Aktion auf der "Tarifhoheitsgrenze" zwischen Salzkotten und Büren.

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