Salzkotten

Wie in Thüle Raps für ganz Europa gezüchtet wird

Die Deutsche Saatveredelung züchtet im Salzkottener Ortsteil die gelbblühende Nutzpflanze für den europäischen Markt. Warum die Entwicklung einer Sorte zwölf Jahre dauert

Im Zuchtgarten: Züchter Detlef Hauske begutachtet auf einem Versuchsfeld der Deutschen Saatveredelung bei Salzkotten den Fruchtstand einer Rapspflanze. | © Marco Schreiber

Marco Schreiber
19.06.2019 | 19.06.2019, 09:00

Salzkotten-Thüle. In den Gewächshäusern der Deutschen Saatveredelung (DSV) am Ortseingang von Thüle ist es selten lange dunkel. Bis spät in die Nacht beleuchten die rötlichen Natriumdampflampen die Pflanztische mit dem Raps. Winterraps, um genau zu sein. In der Zuchtstation Thüle produzieren Detlef Hauska und seine Kollegen neue Sorten für den europäischen Markt. Raps aus Thüle wächst in der Normandie und in der Ukraine – hunderte Kilo Saatgut werden jährlich produziert.

Bis eine neue Sorte die Zuchtstation verlässt, vergehen mehrere Jahre. „Die Entwicklung einer Sorte dauert zwölf Jahre", sagt Hauska. Aus 1.000 bis 1.500 Hybriden werden dabei die besten Zuchtlinien ausgelesen, bis nach etwa neun Jahren zehn bis 15 neue Sorten für die offizielle Prüfung ausgesucht werden.

Der lange Weg auf den Saatgutmarkt

Bei dieser staatlich organisierten Wertprüfung durch das Bundessortenamt konkurrieren die Neuzüchtungen aus Thüle mit 80 bis 90 anderen. „Die besten 50 steigen auf ins zweite Jahr, die besten 20 kommen ins dritte Jahr", sagt Hauska. Etwa fünf Sorten überstehen jedes Jahr diese Auslese und werden ins Bundessortenregister eingetragen. Damit wird von Amts wegen sichergestellt, dass der Landwirt bessere Sorten bekommt, als die bisher für den Markt zugelassenen.

Die Ergebnisse der Bundessortenprüfung werden jährlich im Dezember verkündet. „Theoretisch kann auch alles durchfallen, was wir zur Prüfung angemeldet haben", sagt Hauska. Für die DSV, einen Mittelständler mit etwa 550 Mitarbeitern und bis zu 120 Saisonkräften, ist es deshalb so etwas wie eine vorgezogene Bescherung, wenn einem Winterraps aus Thüle kurz vor Weihnachten der Marktzugang freigemacht wird. Hauska: „Wir leben von den Saatgutverkäufen."

Zwitter-Blüte macht Zucht aufwendiger

Davor steht ein jahrelanger Auswahlprozess. Tausende Pflanzen müssen per Hand sterilisiert werden, indem die Pollenbehälter aus den Blüten entfernt werden. „Die Blüten werden mit Pinzetten geöffnet", erklärt Hauska. „Dafür muss man eine ruhige Hand haben und sich gut konzentrieren können." Die Sterilisation ist notwendig, damit sich die Mutter nicht selbst bestäuben kann, sondern die Vatergene einer anderen Pflanze eingekreuzt werden können.

Weil der Raps eine zwittrige Blüte hat, ist die Züchtung etwas komplizierter als etwa bei Mais oder Getreide. Noch dazu wird beim Raps die Hybridzucht betrieben, was den Prozess noch komplizierter macht. Den Vorteil bezeichnet Hauska als Heterosis, eine „Mehrwüchsigkeit der Hybriden im Vergleich mit ihren Eltern".

Mit ruhiger Hand: DSV-Mitarbeiterin Jennifer Godyn entfernt bei einer Rapspflanze die Pollenbehälter. - © Marco Schreiber
Mit ruhiger Hand: DSV-Mitarbeiterin Jennifer Godyn entfernt bei einer Rapspflanze die Pollenbehälter. | © Marco Schreiber

Und auf Mehrwuchs kommt es bei der Zucht in erster Linie an, also auf eine Steigerung des Ertrags. „Oberstes Zuchtziel", sagt Hauska. Daneben achtet er auf viele weitere Merkmale. Der Raps sollte einen hohen Ölgehalt haben, mit möglichst wenig Nährstoffen auskommen und auch als Viehfutter verwendet werden können.

In den Gewächshäusern in Thüle werden jährlich 400 bis 500 neue Eltern für das Kreuzungsprogramm erzeugt. Von dort geht es hinaus auf die Felder, in die Zuchtgärten an der Bundesstraße 1 rund um Salzkotten. 150 Hektar bepflanzt die DSV mit Raps, tausende Zuchtstämme werden so im Freiland erprobt. Erkennbar sind die Zuchtgärten an den Selbstungstüten, durchsichtigen Plastikbeuteln, die über die Blüten gestülpt werden, damit sich die Pflanze selbst befruchtet und reinerbig bleibt. Auf anderen Flächen stehen im Frühjahr dutzende Minigewächshäuser, auch hier soll eine Fremdbestäubung vermieden werden.

Viele Merkmale werden bis zur Ernte erfasst und protokolliert. Danach müssen sich die Züchter für die vielversprechendsten Pflanzen entscheiden. „Der Züchter muss darauf achten, dass er die wirklich schlechten aussortiert", sagt Hauska. Nur für die guten lohnt sich der jahrelange Weg aus den Gewächshäusern ins Freiland.