Wahl zum Integrationsrat: Die Extrastimme für 44.000 Paderborner

Paderborn. Wenn die Paderborner am 14. September zur Kommunalwahl aufgerufen sind, darf ein Teil der Bevölkerung auf weiteren beziehungsweise anderen Wahlzetteln ihre Kreuze machen. Dann geht es um die Besetzung des Integrationsrates für die nächsten fünf Jahre. Der sieht sich längst als einen wichtigen Teil der Politik und Gesellschaft in Paderborn. Und es geht nicht nur um typische Themen der Migranten. Zumal viele Wahlberechtigte auch deutsche Staatsbürger sind. Das verdeutlicht Recep Alpan (51). Der kaufmännische Angestellte ist das dienstälteste Mitglied im Integrationsrat. Seit 1999 ist er Mitglied, seit 2016 Vorsitzender. Als Stellvertreter stehen ihm in der auslaufenden Legislaturperiode Alexander Wittmer und Sohail Ahmed als Stellvertreter zur Seite. &bdquo;Wir geben den Migranten eine Stimme“, sagt Alpan. Denn auch über den Integrationsrat soll &bdquo;die politische Verzahnung in die Mehrheitsgesellschaft“ gelingen. Und: &bdquo;Wir wollen die Paderborner Themen nicht nebeneinander, sondern friedlich, sachorientiert und fair miteinander umsetzen.“ Menschen aus mehr als 130 Nationen leben in Paderborn. Streit um Städtefreundschaft mit dem Istanbuler Stadtteil Nach neun Jahren an der Spitze des Integrationsrates ist Alpans Fazit klar: &bdquo;Die Arbeit macht sehr viel Spaß.“ Auch wenn es Themen gibt, die auch dort – wie überhaupt in der Politik – ebenso kontrovers diskutiert werden. Als Beispiel nennt er die Diskussion um die Städtefreundschaft mit dem Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü. Die Initiative dazu stammt aus dem Integrationsrat. Seit November 2024 ist die Städtefreundschaft beurkundet. Zuvor hatte es noch bei der Beratung im Juli 2024 im Rat über den Inhalt der Freundschaftsurkunde Kritik seitens der CDU und der Fraktion Die Linke gegeben. Trotz der zwischenzeitlichen Unruhen in der Türkei mit Verhaftungen von Oppositionellen, auch des Bürgermeisters von Beylikdüzü, hält eine Mehrheit im Integrationsrat (ohne die AfD) weiter an der Städtefreundschaft fest. Über eine Städtepartnerschaft will der Integrationsrat innerhalb von fünf Jahren entscheiden. Paderborner Integrationsrat: &bdquo;Streiten muss man“ Viele Worte will Alpan zur Diskussion um Beylikdüzü nicht verlieren. Sein Blick geht vielmehr auf das Miteinander. &bdquo;Streiten muss man, aber auch Kompromisse finden“, sagt er. Als Meilenstein sieht er den politischen Erfolg, dass sein beratendes Gremium, das selbst keine eigenen Entscheidungen treffen kann, die Entsendung von Mitgliedern aus dem Integrationsbeirat in andere Fachausschüsse durchgebracht hat. Somit sei der Integrationsrat mit beratenden Mitgliedern nun unter anderem im Schul- und Kulturausschuss sowie im Ausschuss für Soziales, Senioren und Inklusion vertreten. Im Jugendhilfeausschuss ist der Integrationsbeirat bereits per Gesetz, so Alpan. Und auch im Beirat für Integration des Kreises Paderborn sowie im Lenkungskreis des Landrats sei der Integrationsrat dabei. Proteste in der Türkei: Paderborner Integrationsrat fordert Zeichen für die Städtefreundschaft mit Beylikdüzü An den Wahlen zum Integrationsbeirat darf etwa ein Drittel der Paderborner teilnehmen. Mit dem Stand im Monat Juni sind insgesamt 157.317 Einwohner in Paderborn gemeldet gewesen. Darunter sind laut Alpan 23.756 Ausländer, 13.612 Eingebürgerte sowie 12.911 Spätaussiedler, in Summe also 50.279 Personen. Davon sind 44.984 Menschen zur Wahl des Integrationsrates berechtigt, wie die Stadt mitteilt. Mehr als noch 2020, wie Alpan feststellt. Vor fünf Jahren seien es 37.837 Personen gewesen. Den Anstieg erklärt er so: &bdquo;Seitdem sind viele Jugendliche 16 Jahre alt geworden. Und damit dürfen sie wählen.“ Das Mindestalter beträgt 16 Jahre Wählen dürfen laut der Stadt Nicht-Deutsche, Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, jene, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erhalten haben und all jene, die als Kinder ausländischer Eltern in Deutschland geboren wurden. Zudem müssen sie wie erwähnt am Wahltag mindestens 16 Jahre alt sein, sich mindestens ein Jahr rechtmäßig in Deutschland aufhalten, seit mindestens 16 Tagen vor der Wahl mit Hauptwohnsitz in Paderborn gemeldet sein, formal im Wählerverzeichnis eingetragen oder über einen Wahlschein verfügen. Nicht wahlberechtigt sind laut der Stadt Asylbewerber und Personen, für die bestimmte Einschränkungen nach dem Aufenthaltsgesetz gelten. Vermutung: AfD Paderborn möchte mehr Einfluss nehmen Dem Integrationsrat gehören 22 Mitglieder an. Für 15 Mitglieder können die wahlberechtigten Paderborner direkt ihre Kreuze machen. Die Wähler können für einen Einzelbewerber oder eine Gruppe stimmen. Die übrigen sieben Mitglieder des Integrationsrates werden schließlich aus dem neuen Stadtrat gewählt. Städtefreundschaft mit Istanbuler Stadtbezirk: Eklat im Paderborner Stadtrat Zur Wahl sind vier Einzelbewerber zugelassen: Afifa Lüthen (Stellvertreter Ruth Maria Wrest-Dörper), Saidi Fatameh (Mehrdad Sepehri Fard), Tatjana Lehmler (Ruslan Lehmler) und Verani Kartum (Mohamad Mohamad). Die Gruppen sind: Deutsch-Russische Gesellschaft Paderborn, Die Unabhängigen, AfD, Deutsch-Türkische Freundschaft, Albanische Union, Italia 2000 und die Ukrainisch-Deutsche Freundschaft. Aus der Liste sticht die AfD mit fünf Gruppenmitgliedern heraus, die – im Gegensatz zu anderen Parteien – direkt zur Wahl des Integrationsrats antritt. Alpan vermutet, dass die AfD dort mehr Einfluss auf Entscheidungen nehmen möchte. &bdquo;Ja, die AfD polarisiert“, sagt Alpan. Für das Erstarken der AfD gebe er aber &bdquo;nicht denen die Schuld, sondern eher den Altparteien“. Auch Paderborner Gremium bekommt neuen Namen Waren es ab 1994 erstmals die Ausländerbeiräte in den NRW-Kommunen und ab 2006 die Migrationsbeiräte, gibt es die Integrationsräte laut der Stadt seit 2009. Und es wird wieder eine Umbenennung geben: Schon bald sollen, so Alpan, aus den Integrationsräten landesweit die Ausschüsse für Integration und Chancengerechtigkeit werden. Vielleicht, so hofft Alpan, werden damit auch jene Kinder von Migranten angesprochen, die sich in vielen Fällen eher der deutschen Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen – und solche Gremien für überflüssig halten könnten. Premiere-Protest: Paderborner Integrationsrat plant Demo gegen Rassismus und Rechtsextremismus Dass sich der Integrationsrat auch für ureigene Themen der Bundesrepublik stark macht, verdeutlicht Alpan nicht ohne stolz mit dem Beispiel der Feierstunde 2024 auf dem Rathausplatz zum 75 Bestehen des Grundgesetzes – mitorganisiert vom Integrationsrat, wie Alpan sagt.

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