Paderborns Ex-Landrat im Interview: „Gelder müssen auch nach Westfalen fließen“

Herr Müller, wer bei ChatGPT fragt, &bdquo;Was ist Westfalen?“, erhält die Antwort, es handele sich um eine &bdquo;bedeutende Region“. Warum ist Westfalen für Sie bedeutend? Manfred Müller: Allein die Einwohnerzahl von 8,4 Millionen ist fast so hoch wie die der Schweiz mit 8,9 Millionen. Hervorzuheben ist die Wirtschaftskraft in Westfalen mit so vielen starken Mittelständlern und Familienunternehmen. Kulturell wird die Eigenständigkeit auch im aktuellen Jubiläumsjahr zu 1.250 Jahre Westfalen erneut deutlich. Nicht zuletzt ist das in der Ausstellung in der Paderborner Kaiserpfalz zu sehen. Das alles prägt unser &bdquo;Wir“-Gefühl. Sie sind Vorsitzender des Westfalen e.V. Was möchten Sie als Verein erreichen? Ich kenne aus meiner Arbeit als Bürgermeister und Landrat die Perspektiven von Städten und Kreisen. Die müssen natürlich für ihre Stadt, für ihren Kreis sorgen. Aber es gibt Themen, die übergreifend sind und wo man kooperieren sollte. Das dient allen. Und darum muss sich jemand kümmern. Das stoßen wir für Westfalen an. Wir wissen, dass wir damit auch wahrgenommen werden, obwohl wir ein kleiner Verein sind. Was tun Sie genau? Wir wollen vor allem über Veranstaltungen Menschen zusammenbringen. Wir sind ausschließlich im Ehrenamt organisiert, aber politisch gut vernetzt und wollen starke Stimmen Westfalens sein. So gehören etwa die drei Regierungspräsidenten Westfalens, der LWL Landesdirektor, der Vorsitzende der Landschaftsversammlung und der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Westfalenparlament zum Vorstand. Zur Kommunalwahl werden wir ein Memorandum veröffentlichen, um Themen von westfälischer Bedeutung zu betonen und einzufordern. Uns ist zum Beispiel wichtig, die kulturelle Arbeit des LWL zu unterstützen, weil sie großen Wert hat für die westfälische Identität. Und wir wollen auf die Bedeutung von Standortfaktoren für die Region hinweisen. Jubiläumsjahr: Westfalen feiert 1250-jähriges Bestehen: Gefeiert wird an neun Orten in OWL Mit welchen Standortfaktoren kann Westfalen denn punkten? Wir schaffen es hier, zwischen Forschung und Wirtschaft immer wieder für Wissenstransfer zu sorgen. Hochschulen und mittelständische Betriebe arbeiten an vielen Stellen wunderbar zusammen. Das halte ich für wegweisend, um eine Region nach vorne zu bringen. Bei uns im Paderborner Raum ist nach meinem Gefühl auch immer noch der Geist von Heinz Nixdorf zu spüren. Er kannte immer nur eine Richtung: &bdquo;vorwärts“. Er war der typische westfälische Unternehmer. Das prägt die Region bis heute. Nixdorf hat da Maßstäbe gesetzt. Zum Ende des Jahres wollen wir auch deshalb in Paderborn einen Abend mit dem Heinz-Nixdorf-Museumsforum zum Thema &bdquo;Heinz Nixdorf und die Politik ausrichten“. Geht es für den Verein auch darum, sich im Vergleich zum Rheinland zu positionieren? Nun, dort gibt es den Verein &bdquo;Metropolregion Rheinland“ mit sechs Angestellten und einem Etat von einer Million Euro. Das finanzieren die Kommunen. Der Verein macht neben Veranstaltungen noch Gutachten und parlamentarische Abende, die wir uns nicht leisten können. Aber inhaltlich sind wir ähnlich unterwegs. Wir setzen Themen, zum Beispiel Wissenstransfer, Zivil- und Katastrophenschutz, verkehrliche Anbindung und Energieversorgung. Abgesehen davon spüren wir aber auch immer noch den Nachteil der Entfernung in die Landeshauptstadt. Die rheinischen Kommunen sind einfach näher dran an Düsseldorf. Kontakte entstehen dann anders. Für uns ist es ein Nachteil, dass die Landeshauptstadt am Rand von NRW liegt. Wir setzen daher bewusst auf die Kooperation über Regierungspräsidien, die ja &bdquo;Statthalter des Landes in Westfalen“ sind. Sie helfen, dass Westfalen und Lippe in Düsseldorf auch in Zukunft Beachtung finden. Lesen Sie auch: Ex-Landrat Müller: &bdquo;Hohe Strompreise für OWL sind unfair“ Was macht für Sie Westfalen aus? Früher hätte man gesagt: Schinken, Landwirtschaft und Bier. Das gibt es alles noch, aber wir haben uns entwickelt. Heute stehen wir in Westfalen für Familienunternehmen, Innovation, Kreativität und Dynamik. Das ist auch das Ergebnis des Wissenstransfers. Wenn man analysiert, welche Regionen sich gut entwickelt haben, dann sieht man oft Universitäten, gute Verkehrsanbindungen und dynamische Unternehmer im Umfeld. Glasfaserverbindungen kommen jetzt hinzu. Und zudem ist es wichtig, die Region so attraktiv zu gestalten, dass Fachkräfte bleiben und gewonnen werden können. Es geht nicht nur um die Wirtschaft. Sicher und natürlich wohnen zu können, ist ein großes westfälisches Pfund. Mehr zum Thema: Bundespräsident Steinmeier würdigt in Paderborn die Region Westfalen Das alles bedeutet aber auch die Notwendigkeit des stetigen Wandels. Gar nicht so einfach in einer konservativ geprägten, also bewahrenden, Gegend. . . Der frühere Paderborner Universitätspräsident Nikolaus Risch hat mir mal gesagt, wie erstaunt er ist, dass die Region immer so nach vorne will. Gerade Paderborn hat von der Uni und Verkehrsprojekten wie der A33 und dem Flughafen profitiert. Und weil das Oberzentrum so profitiert hat, wollten auch die Kommunen drumherum profitieren. Das hat deren Ehrgeiz für eigene Entwicklung, Wohn-, Gewerbegebiete und kulturelles Leben geweckt. Der Glanz strahlt eben aus. Das ist eine westfälische Erfolgsgeschichte. So gesehen, war die kommunale Neugliederung mit Paderborn als Oberzentrum ein westfälischer Glücksfall Welches Bild Westfalens nehmen Sie im Rest Deutschlands wahr? Westfalen ist positiv besetzt, auch wenn es vielleicht noch Menschen gibt, die &bdquo;Provinz“ vermuten. Aber es spricht sich natürlich rum, dass hier Firmen von Weltrang angesiedelt sind. Die Familienunternehmen denken in Generationen. Das ist etwas Besonderes und da wollen wir als Verein auch unterstützen, um es zu betonen. Wir können mit unseren kleinen Mitteln nur helfen, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Auch interessant: Runder Geburtstag: Ex-Landrat Manfred Müller ist im Unruhezustand Welches Thema verfolgen Sie derzeit besonders intensiv? Regionale Resilienz ist für uns ein Thema – der Zivil- und Katastrophenschutz ein Anliegen. Da fehlt es noch sehr, vor allen Dingen beim Zivilschutz. Wir richten in jedem Regierungsbezirk dazu eine Veranstaltung aus, um zu zeigen, wie wichtig die Sache ist. In Arnsberg und Münster waren wir schon – jeweils mit vollem Haus. NRW-Innenminister Herbert Reul wird im Januar dafür auch nach Augustdorf kommen. Da wird er dann die Einschätzungen und Fragen aus OWL mitnehmen können. Und auch dieses Thema macht deutlich, dass es nicht jeder Ort alleine planen kann. Mit einer solchen Themensetzung können wir uns konkret westfalenweit einbringen. Sie sind vor rund vier Wochen als Vorsitzender des Westfalen e.V. wiedergewählt worden. Was möchten Sie in den kommenden vier Jahren erreichen? Wir haben Westfalen schon stärker ins Bewusstsein gebracht. Wir wollen aber weiter für ein starkes Westfalen werben und die Region im Gespräch halten. Das machen wir viel auf politischer Ebene. Im Sommer kommt unser Memorandum zur Kommunalwahl mit einem klaren Bekenntnis zur kommunalen Selbstverwaltung als Teil der vertikalen Gewaltenteilung in Deutschland. Das ist mit Blick auf das Erstarken radikaler Parteien extrem wichtig. Zusätzlich geht es weiter um Wissenstransfer von den Unis in den Mittelstand und eben die Resilienz Westfalens beim Zivil- und Katastrophenschutz. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Kommunen dabei vom großen Infrastruktur- und Verteidigungspaket des Bundes profitieren. Gelder müssen auch nach Westfalen fließen. Der Bund kann diese Kraft sowieso nicht allein auf die Straße bringen. Auch die Bedeutung von Kooperationen im Tourismus wollen wir hervorheben. Wir planen einen Besuch bei der Westfälischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Und nebenbei bemerkt: Es muss ja für die Zukunft auch kein Nachteil sein, dass Bundeskanzler und Ministerpräsident aus Westfalen stammen Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

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