Prozess in Paderborn: Junge Frau wird Opfer eines Loverboys

Delbrück. Mario B. (Namen geändert) trägt sein schwarzes Haar als Undercut, wie bei vielen jungen Männern ziert ein Bart sein Gesicht. Der Delbrücker macht damit einen eher unauffälligen Eindruck. Die Vorwürfe, die ihm die Paderborner Staatsanwaltschaft macht, scheinen so gar nicht zu ihm zu passen. Der 30-Jährige soll ein Loverboy sein, ein Mann also, der einer Frau die große Liebe vorspielt, um sie dann gegen ihren Willen als Sexarbeiterin auszubeuten. Von Zwangsprostitution ist in der Anklage die Rede. Mario B. sagt zu diesem Vorwurf gar nichts, er sitzt im Landgericht Paderborn recht still neben seinem Verteidiger Richard Uhle, ab und zu schaut er in den Zuschauerraum. Dort sitzt seine Freundin, um den Prozess zu verfolgen, obschon die Geburt des ersten gemeinsamen Kindes in einigen wenigen Tagen bevorsteht, wie der Delbrücker den Richtern der 1. Großen Strafkammer erzählt. Ein Liebesverhältnis hatte auch Chiara H. mit dem Angeklagten - jedenfalls in ihrer Wahrnehmung. Die heute 22 Jahre alte Hessin hatte Mario B. im Herbst 2020 kennengelernt. Damals war sie gerade mit dem Erreichen der Volljährigkeit von zu Hause ausgerissen. Zu sehr habe sie die Mutter kontrolliert, erinnert sie sich vor Gericht. Fernab der Heimat lernte sie Mario B. kennen und anscheinend auch lieben. Übergangslösung zur Sicherung des Lebensunterhalts Als ihr Erspartes aufgebraucht war, verfiel mutmaßlich der Delbrücker auf die Idee, dass sich seine Freundin im Internet mithilfe von Fotos als Sexarbeiterin verdingen sollte. &bdquo;Natürlich war das für mich komisch“, sagt Chiara H. &bdquo;Aber wir waren ein Team.“ Sie selbst habe ja auch Geld gebraucht. Was ihr Mario B. als Übergangslösung zur Sicherung des Lebensunterhalts vorgestellt hatte, wurde jedoch zur Dauerbeschäftigung. Das Paar tourte fast drei Jahre durch die Gegend. Die junge Frau ging in Delbrück, Oerlinghausen, Gütersloh und sogar für ein Jahr in Hamburg anschaffen - in der dort jeweils angemieteten Wohnung, aber auch auf Hausbesuchen. Von durchschnittlich fünf bis sechs Freiern pro Tag berichtet die Zeugin. &bdquo;Das war nicht mein Traumjob. Ich habe nie daran gedacht, so etwas zu machen“, sagt sie. &bdquo;Jung und doof“ sei sie gewesen. Denn ihren Verdienst in Höhe von 100 Euro pro halbe Stunde gab sie in Gänze Mario B. Lesen Sie auch: Zwangsprostitution im Kreis Paderborn: Seltene, aber ernste Fälle von Ausbeutung Der habe alles für sie geregelt, sagt Chiara H. und erzählt irgendwann, dass das Paar auf ziemlichen großen Fuß, also deutlich über seine Verhältnisse gelebt habe. &bdquo;Ich war auch in ihn verliebt“, erklärt die junge Frau. Und so akzeptierte sie es, dass der Angeklagte jede Bitte, aussteigen zu dürfen, mit den Worten abwiegelte, dieser Job müsse doch nur eine Weile durchgezogen werden, aber selbst keinen Finger krumm machte, um die nötigen Finanzmittel für das gemeinsame Leben heranzuschaffen. Geld liege auf der Straße &bdquo;Du bist keine Hure, du musst nur möglichst schnell viel Geld verdienen“, soll Mario B. einmal zu ihr gesagt und die immer wieder auftretenden Blasenentzündungen als &bdquo;Ausreden“ bezeichnet haben. Für ihre Versuche, mit bürgerlicher Beschäftigung Geld zu verdienen, hatte er augenscheinlich eher Spott übrig. &bdquo;Ich arbeite nicht für den Staat“, so seine Argumentation. Das sei alles &bdquo;Ausbeuterei“ und dafür seien seine Hände nicht bestimmt. Das Geld liege auf der Straße. Als die junge Frau mit ihm im Sommer 2022 für einen längeren Aufenthalt in die Türkei reiste, war Schluss mit der Sexarbeit. Im Oktober reiste Chiara H. allein zu ihrer Familie nach Südhessen, nachdem der Kontakt zur Mutter wieder aufgelebt war und ihr die Großmutter ein Flugticket bezahlt hatte, weil es der Enkelin augenscheinlich schlecht ging. Anzeige auf Drängen ihrer Mutter Daheim angekommen zeigte die 22-Jährige auf Drängen ihrer Mutter ihren Ex an und setzte damit umfangreiche Ermittlungen in Gang, derer sich schließlich die Paderborner Staatsanwaltschaft annahm, um den Fall vor dem Paderborner Landgericht zur Anklage zu bringen. Dort mag Chiara H. eigentlich nichts Böses über den Angeklagten sagen. &bdquo;Ich habe damit abgeschlossen“, sagt sie, denn irgendwie sei es auch eine schöne Zeit gewesen, die sie mit Mario B. verbracht habe. Die Verhandlung wird am Mittwoch, 23. Oktober, fortgesetzt.

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