Paderborns Landrat: „Busverkehr im Hochstift zielt am Fahrgast vorbei“

Herr Rüther, der Busverkehr im Kreis Paderborn ist mit Beginn des Schuljahres mal wieder heftig ins Gerede gekommen. Probleme gab es in mehreren Orten. Schüler und Eltern waren auf dem Baum. Wie konnte es dazu kommen, wo doch das Datum des Schulstarts und die Schülerzahlen keine Staatsgeheimnisse sind und genug Vorbereitungszeit vorhanden war? Christoph Rüther: In manchen Fällen hat es vermeidbare Fehler gegeben, das ärgert uns. Knackpunkt ist aber, dass die Bürgermeister und damit die Kommunen in die ÖPNV-Prozesse aktuell praktisch nicht eingebunden sind. Wir müssen sie künftig besser mitnehmen und ihnen ein großes Mitspracherecht einräumen. Sie sprechen damit die von ihnen als NPH-Verbandsvorsteher angestrebte Reform des ÖPNV im Hochstift an. Die Ergebnisse eines beauftragten Gutachtens haben Sie bislang nur im internen Kreis vorgestellt. Bekannt ist, dass es Veränderungen nahelegt. Was soll passieren? Es muss einen strukturierten Austausch mit den Kommunen und mit den Busunternehmen geben. Im Moment findet das in der aktuellen Organisation zu wenig statt. Da wird in Verwaltungsstrukturen gearbeitet, die aber am Fahrgast vorbeizielen. Der Fahrgast fragt sich doch, wie es den Profis beim NPH passieren kann, dass es etwa zu den Problemen mit Buskapazitäten, Abfahrtzeiten und Routen in Büren, Bad Wünnenberg, Bad Lippspringe und Hövelhof kommen kann. Diese Fälle haben uns nochmal vor Augen geführt, dass die Kommunen rechtzeitig in Planungen einbezogen werden müssen. Es handelt sich um ein sensibles System, in dem selbst kleine Änderungen große Auswirkungen haben können. Betriebe mit den Kürzeln NPH, VPH, NWL, dazu diverse Busunternehmen und unbekannte politische Gremien - der Aufbau des ÖPNV im Kreisgebiet ist nicht nur für Fahrgäste schwer nachzuvollziehen... Da haben Sie recht. Und das führt dazu, dass sich mitunter auch niemand zuständig fühlt für manche Themen. Es muss künftig aus einem Guss kommen - mit Freiheiten für die Praktiker. Welche Ausrichtung stellen Sie sich für den neuen NPH vor? Ich plädiere für einen Organisationsaufbau, der ähnlich aussieht wie am Flughafen Paderborn/Lippstadt. Eine Geschäftsführung hätte operativ das Sagen in einer GmbH, dazu gäbe es fürs Strategische einen Aufsichtsrat und eine Gesellschafterversammlung, die punktuell Einfluss nehmen. Aktuell gibt es zu viele Gremien. Das blockiert uns. Und die Routenplanung soll dann künftig in Kooperation mit den Rathäusern laufen? Ich stelle mir vor, dass der NPH für die Städte und Gemeinden weitgehend einheitliche Standards anbietet. Wer mehr bestellt, muss dafür dann auch mehr bezahlen. Beim neuen NPH hat das Team durch eine Verschlankung der Aufgaben aber künftig mehr Luft, um inhaltlich in der Linienplanung stärker zu werden. Die Datenbasis dafür haben wir nun auch dank der Fahrgastzählgeräte. Was verraten Ihnen denn die Zählgeräte bis jetzt? Sie geben uns wertvolle Aufschlüsse über die tatsächliche Nutzung der einzelnen Linien und Verbindungen. Häufig schätzt man Haltestellen intuitiv falsch ein. Zukünftig können wir auf Basis der Fakten die Strecken besser bewerten und den Dialog mit den Kommunen professioneller führen. Jetzt haben Sie von Beratungsunternehmen auch eine externe Bewertung der Lage erhalten, wie ist die ausgefallen? Die Experten sagen, dass der Aufbau hier sehr kompliziert ist und wir dringend etwas tun sollten. Das möchte ich auch vorantreiben. Und künftig müssen die Erfolge der neuen Gesellschaft auch regelmäßig gemessen werden. Wieviel Geld fließt aktuell über die Kommunen in den ÖPNV im Kreis? Im Kreis Paderborn sind es derzeit rund sieben Millionen Euro pro Jahr. Wird mit der neuen Struktur Geld eingespart? Alles wird teuer, aber wir werden aufpassen, dass es kein Fass ohne Boden wird. Unser Ziel ist es, auch Sparpotenziale zu erkennen, wie etwa mit der Einführung des Holibri als Anruf-Bus in Lichtenau und Hövelhof. In Lichtenau spart das rund 100.000 Euro pro Jahr. Auch die Linienplanung wollen wir nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimieren. Doch wir wollen ja gleichzeitig den Busverkehr attraktiver machen - dann kann man nicht alles wegkürzen. Wie wollen Sie das schaffen: Sparen und gleichzeitig attraktiver werden? Man muss beim ÖPNV vielleicht nicht immer nur an große Fahrzeuge denken, sondern auch kleine Lösungen wie den Holibri forcieren. Dann kann das klappen. Und eben unsere Idee von Standards kann dabei helfen. Wie könnten solche Standards aussehen? Dabei geht es um die Frequenz, wie oft eine Linie bedient wird, und um die Zeiten, von wann bis wann ein Bus verkehrt. Man könnte auch vorgeben, dass Routen mit wenigen Fahrgästen nur noch per Holibri bedient werden. Das müssen wir uns noch im Detail anschauen. Wie die Standards genau aussehen, würde nach meiner Vorstellung künftig von den Kreisen mit den Kommunen gemeinsam festgelegt. Reichen für das, was Sie vorhaben, die jährlichen sieben Millionen Euro aus? Wir wollen nicht mehr ausgeben. Aber damit es besser läuft, brauchen wir den Schulterschluss zwischen Kommunen, NPH und Busunternehmen. Seit einiger Zeit wird aus den Rathäusern das Wehklagen über die Millionen für leere Busse immer lauter. Warum war das früher kein Thema? Bis vor ein paar Jahren konnten die absolut üblichen Defizite aus dem Busverkehr durch Gewinne aus dem Schienenverkehr ausgeglichen werden. Dazu kam der Umstieg von Eigenwirtschaftlichkeit der Linien in der Verantwortung der Busunternehmen auf Gemeinwirtschaftlichkeit. Seit ein paar Jahren müssen die Kommunen nun für die Defizite von Buslinien selbst aufkommen, indem sie über die Kreisumlage daran beteiligt werden. Seitdem die Rücklagen aufgebraucht sind, werden die Kosten spürbar. 85 Prozent der ÖPNV-Kosten werden nach Streckenkilometern pro Kommune abgerechnet, 15 Prozent solidarisch geteilt. Soll diese Solidarität Ihrer Meinung nach künftig weiter bestehen? Kommunen sagen mir, dass künftig genau geschaut werden muss, wo die Kosten entstehen. Aber ich bin davon überzeugt, dass das System insgesamt günstiger werden kann durch Änderungen im System wie den Holibri. Ich erwarte von der Geschäftsführung, dass den Kommunen dafür künftig aktiv Vorschläge ausgearbeitet werden. Welche Auswirkungen haben Ihre Pläne demnächst auf die Ticketpreise der Fahrgäste? Es ist nicht meine Absicht, die Ticketpreise zu erhöhen. Wir wollen ja keine Fahrgäste vergraulen, sondern neue gewinnen. Die Verschlankung in der Organisation würde nach meinen Erfahrungen bei den Entscheidern wertvolle Kreativität freisetzen, um das zu erreichen. In der aktuellen Konstellation hat sich über die Jahre Verwaltung verselbstständigt. Gibt es Vorbilder für die Neuorganisation? Ja, wir gucken auf die Erfahrungen in anderen Kommunen und Landkreisen, aber die Analysen laufen noch. Bestehen auch Überlegungen, eine Fusion mit dem Padersprinter, dem Verkehrsunternehmen in Paderborn, anzugehen? Der Padersprinter ist ein eigenständiges Unternehmen, mit dem wir zukünftig noch besser kooperieren wollen. Gemeinsam sollten wir die Verkehre in Stadt und Region so organisieren, dass die Nutzerinnen und Nutzer optimale Verbindungen vorfinden. Wann können die Fahrgäste mit Verbesserungen rechnen? Wir werden sicherlich das Jahr 2025 nutzen müssen, um alle organisatorischen Änderungen vorzunehmen. Mein Ziel ist es, mit dem neuen System im Jahr 2026 durchzustarten. Aber ich gehe davon aus, dass die neue Philosophie auch schon im kommenden Jahr spürbar wird.

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