SCP-Fan geschubst: Paderborner Gericht verhängt Bewährungsstrafe für Rostock-Anhänger

Paderborn. Zu den Spielen des SC Paderborn ist Alfred P. (Namen geändert) immer gern gegangen. Mehrmals in der Saison hat der 60-jährige Nieheimer zusammen mit Freunden den Zug bestiegen, um den Kickern von der Pader zuzusehen - bis zum 15. Dezember vergangenen Jahres. Damals wurde Alfred P. Opfer einer Attacke eines sogenannten Hansa-Rostock-Fans. &bdquo;Ich bin seitdem überhaupt nicht mehr in der Lage, ins Stadion zu gehen“, sagt er. Nach neun Monaten begegnet P. dem Mann, der dafür verantwortlich ist, vor dem Paderborner Schöffengericht. Dort muss sich Markus J. wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Oberstaatsanwalt Christoph Zielke ist sogar der Ansicht, dass sich der 40-Jährige eines hinterlistigen Überfalls schuldig gemacht haben könnte. Es ist ein ganz kleiner, schmaler Mann, der da auf der Anklagebank sitzt. Dass der Angestellte einer Lebensmittelkette zu den Anhängern von Hansa Rostock zählt, die vor neun Monaten in der Home-Deluxe-Arena randalierten, mag man kaum glauben. Er gehöre weder zu den Ultras noch zu den Suptras, beteuert Markus J. Trotzdem brachte der 40-Jährige anscheinend reichlich Aggression aus seiner mecklenburgischen Heimat mit nach Paderborn. Denn er fühlte sich von angeblich provokant auftretenden Ordnern dazu gereizt, über den Zaun aus dem Gäste- in den Heimblock zu klettern. Warum er dort Alfred P., der ganz oben stand, um von dort aus die letzten Minuten des Spiels anzuschauen, während viele Besucher schon das Stadion verließen, einen heftigen Schlag auf den Rücken versetzte, kann er nicht erklären. Von den Folgen des Angriffs erfährt der Rostock-Fan erst später Dass Alfred P. daraufhin über drei Sitzreihen nach vorn stürzte, sich am Kopf eine Platzwunde zuzog, eine Zeit lang bewusstlos war und von Ersthelfern versorgt werden musste, habe er nicht mitbekommen, sagt Markus J. &bdquo;Ich bin dann wieder über den Zaun zurück in den Gästeblock geklettert.“ Völlig unbehelligt verließ der 40-Jährige das Stadion. Lesen Sie auch: Großeinsatz nach Gewaltexzessen beim Zweitligaspiel in Paderborn Erst aus den Medien will er von der gewaltigen Randale im Stadion - und von dem schweren Sturz des Alfred P. erfahren haben. &bdquo;Mein erster Gedanke war: Ach du Scheiße. Das war so nicht gewollt.“ Seine Kumpel aus der Fußballszene hätten ihm ausgeredet, sich freiwillig zu stellen, sagt Markus J. &bdquo;Aber ich habe damit gerechnet, dass irgendwann die Polizei vor der Tür steht.“ Tatsächlich wurde der 40-Jährige mithilfe von Filmaufzeichnungen identifiziert. &bdquo;Meine Freundin fand das überhaupt nicht toll“, sagt er und erzählt, dass beinahe seine Beziehung zerbrochen wäre. Opfer aus Nieheim leidet immer noch unter der psychischen Belastung Alfred P. indes hat an diesem Tag im Stadion einen gewaltigen Verlust an Lebensqualität erlitten. Die körperlichen Blessuren wie Platzwunde und Prellungen gehören schon längst der Vergangenheit an, nicht aber die psychische Belastung. Seit dem Sturz im Stadion leidet er unter Schlafstörungen, ein Fußballspiel zu besuchen ist ihm unmöglich geworden. Das seien schwere Tatfolgen, unter denen der 60-Jährige zu leiden habe, bilanzieren schließlich Richterin Stephanie Befelein und die Schöffen. Dieses müsse sich strafschärfend auswirken, ebenso das &bdquo;äußerst aggressive und rücksichtslose Verhalten“ des Angeklagten. Wie von Oberstaatsanwalt Zielke beantragt, schätzen sie die Tat als &bdquo;gefährliche Körperverletzung“ ein. Lesen Sie auch: Nach Ausschreitungen in Paderborn: &bdquo;Teile der Szene sind völlig enthemmt“ Markus J. als erfahrenem Stadionbesucher habe klar sein müssen, dass es an solchen Örtlichkeiten &bdquo;abschüssig runtergeht“. Dass sich somit sein Opfer bei einem Sturz erheblich verletzten würde, sei ihm gleichgültig gewesen. Anders als der Ankläger mögen die Richter aber nicht auf einen &bdquo;hinterlistigen Überfall“ erkennen. Man habe nicht feststellen können, dass der 40-Jährige die Arglosigkeit seines Opfers planmäßig ausnutze. Sie verhängen eine 14-monatige Freiheitsstrafe, die sie zur Bewährung aussetzten. Markus J., zuvor niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten und einem dreijährigen bundesweiten Stadionverbot belegt, muss 150 Sozialstunden ableisten und dem 60-Jährigen 1.000 Euro zahlen - als vorläufige Wiedergutmachung, denn eine Zivilklage wird wohl noch auf ihn zukommen. Warum der SCP-Fan von seinem Verein enttäuscht ist Mächtig enttäuscht ist Alfred P. übrigens von den Verantwortlichen des SC Paderborn. Bevor er den Zeugenstuhl verlässt, bittet er Richterin Stephanie Befelein ums Wort. &bdquo;Mir macht besonders zu schaffen, dass sich der SCP gar nicht dazu geäußert hat.“ Niemand aus dessen Reihen habe sich danach erkundigt, wie es ihm gehe, sagt er. Ganz allein arbeitet er zusammen mit seiner Traumatherapeutin Bernadette Pawlak daran, dass er sich vielleicht doch irgendwann wieder ein Fußballspiel nicht nur am Fernsehen, sondern im Stadion anschauen kann. Aus der Führungsetage des SC Paderborn hat auch niemand den Weg ins Amtsgericht gefunden, um die Verhandlung zu verfolgen. Nur ein paar wenige Fans sind da. Sie sprechen Alfred P. ihr Mitgefühl aus.

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