Probleme mit dem Arbeitgeber: Paderborner Arbeitsrechtler gibt Tipps

Paderborn. Unruhige Zeiten auf dem Paderborner Arbeitsmarkt: Bei Stute in Paderborn verlieren mehr als 200 Menschen ihren Job, auch der Möbelhersteller Schröder in Delbrück hat Insolvenz angemeldet. Und Mitarbeiter beim Jobcenter Paderborn wenden sich mit einem anonymen Brief an die Öffentlichkeit und beschweren sich darin über die Geschäftsführerin. André Pleßner ist seit 2006 Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Meyer Arbeitsrecht in Paderborn und spricht darüber, was Angestellte tun können, wenn sie Probleme mit Vorgesetzten haben und wie diese Probleme gelöst werden können. Herr Pleßner, Mitarbeiter des Jobcenters Paderborn haben sich in einem anonymen Schreiben über ihre Geschäftsführerin beschwert. Ist das eine gute Art der Beschwerde? André Pleßner: Das ist sicherlich kein optimaler Weg, auch wenn das von außen schwer zu beurteilen ist. Wenn sich jemand anonym beschwert, kann das dokumentieren, dass er Sorge davor hat, was passiert, wenn seine Person bekannt wird. Als Beschwerdeempfänger hat man das Problem, wenn eine anonyme Beschwerde kommt, dass man mit der Person, die sich beschwert, keine Kommunikation aufbauen kann. Es kann nicht nachgefragt werden: &bdquo;Warum empfindest du das so?“ Man hat nur die Aussage dieser anonymen Person, ohne irgendeine Möglichkeit, den Sachverhalt aufklären oder sich gegebenenfalls auch entschuldigen zu können, wenn man die Beschwerde als berechtigt bewertet. Wenn ich eine Beschwerde über meinen Vorgesetzten habe, an wen sollte ich mich als Erstes wenden? Wenn das Verhältnis noch nicht so zerrüttet ist, dass ein Gespräch mit dem Vorgesetzten gar keine Aussicht auf Erfolg hat, dann würde ich mich tatsächlich immer zunächst an den Vorgesetzten direkt wenden. Nicht überfallartig, sondern ihm sagen: &bdquo;Ich hätte gerne mal ein Gespräch zur Situation am Arbeitsplatz mit Ihnen.“ Von der Reaktion hängt dann der weitere Weg ab. Gibt es eine Bereitschaft zum Gespräch? Nimmt der Vorgesetzte sich der Kritik an oder weist er die Beschwerde als unberechtigt zurück? Gegebenenfalls kann man in Abstimmung mit dem Arbeitgeber vereinbaren, dass man eine dritte Person hinzunimmt, einen externen Coach zum Beispiel. Das betrifft insbesondere zwischenmenschliche Probleme. Lesen Sie auch: Vorwürfe gegen Leitung des Paderborner Jobcenters Oder man geht einen formaleren Weg. Wenn es einen Betriebsrat gibt, kann man sich dort sowohl über den Arbeitgeber als auch über andere Arbeitnehmer beschweren. Hält der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt, trägt er diese an den Arbeitgeber weiter und vermittelt. Für solch eine Beschwerde reicht es bereits aus, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle. Ich muss kein objektives Unrecht nachweisen. Das klingt so, als ginge es viel um Gefühle. Ist klar definiert, wann ein Arbeitnehmer rechtliche Schritte gegen einen Vorgesetzten einleiten kann? Rechtliche Schritte kann ein Arbeitnehmer insbesondere dann einleiten, wenn er zum Beispiel aufgrund seines Alters, seines Geschlechts oder seiner ethnischen Herkunft diskriminiert wird. Fühlt sich ein Arbeitnehmer unabhängig von solchen Diskriminierungsmerkmalen unangemessen behandelt, kann man sich eventuell an der Definition des Mobbings orientieren. Mobbing kann dann vorliegen, wenn über einen längeren Zeitraum von Vorgesetzten oder anderen Arbeitnehmern systematisch schikaniert oder angefeindet wird. Das kann kein einmaliger Vorfall sein, es muss ein gewisses System vorhanden sein. Rechtsfolge aus solch einer systematischen Schikane ist ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser hat mich vor Schikanen zu schützen. Ich kann aber möglicherweise auch einen Schmerzensgeldanspruch haben, wenn ich durch die Schikane gesundheitliche Beeinträchtigungen habe. Problematisch ist häufig, dass ich die rechtswidrigen Handlungen darlegen und beweisen muss. Deswegen sagen wir unseren Mandanten: Führen Sie ein Mobbing-Tagebuch. Das heißt, dokumentieren Sie die Sachverhalte beweissicher, auf die Sie Ihre Beschwerde begründen wollen. Kann auch ein ganzes Kollegium von einem Vorgesetzten schikaniert und gemobbt werden? Ja, auch das kommt vor. Das erleichtert die Beweisführung und Glaubwürdigkeit, denn man hat dann wechselseitig Zeugen und wird nicht als einzelner Querulant abgetan. Und wenn nicht nur ich, sondern fünf andere Kollegen auch so empfinden, hat das natürlich ein ganz anderes Gewicht. Bin ich durch das Gesetz geschützt, wenn ich eine Beschwerde gegen meinen Vorgesetzten vorbringe? Ja, jedenfalls in Unternehmen, in denen das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, also ab mehr als zehn Arbeitnehmern. Das heißt, Kündigungen dürfen nur dann ausgesprochen werden, wenn es gesetzliche Gründe gibt. Dass ich mich über jemanden beschwere, ist kein Kündigungsgrund, solange ich sachlich bleibe. Wenn ich beleidigend werde oder nachweislich lüge, muss ich dafür gegebenenfalls Konsequenzen tragen. Neben dem Kündigungsschutz gibt es auch das allgemeine Maßregelungsverbot, welches es dem Arbeitgeber verbietet, mich dafür zu &bdquo;bestrafen“, wenn ich von meinen Rechten Gebrauch mache. Gibt es typische Fälle von Fehlverhalten durch Vorgesetzte? Typische Fälle eher weniger, aber es menschelt immer da, wo Menschen zusammenarbeiten. Und es gibt Menschen, die mag man mehr, und Menschen, die mag man weniger. Manchmal kann man es gar nicht sachlich begründen. Das ist, aus meiner Sicht, der häufigste Fall, dass Arbeitnehmer dann zum Anwalt gehen und sagen: &bdquo;Ich fühle mich hier nicht mehr wohl.“ Was habe ich für Rechte, wenn ich durch den Stress durch meinen Vorgesetzten erkranke? Das deutsche Schadenersatzrecht ist sehr zurückhaltend beim Zuspruch wie auch bei der Höhe eines Geldbetrags als Schadensersatz. Ich muss dafür erstmal eine gesundheitliche Beeinträchtigung nachweisen. Und ich muss die Ursächlichkeit des ungebührlichen Arbeitgeberverhaltens nachweisen, und zwar, dass nur das für meine gesundheitlichen Beeinträchtigungen ursächlich ist. Das ist nahezu unmöglich. Einfacher ist es hingegen, wenn ich zum Beispiel aufgrund von Alter, Geschlecht oder Herkunft diskriminiert werde, da der Gesetzgeber hierfür eigene Schadensersatzregelungen getroffen hat. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber abmahnt. Bei Fehlverhalten des Arbeitgebers habe ich als Arbeitnehmer die Möglichkeit, eine Abmahnung mit einer Kündigungsandrohung auszusprechen. Und bei fortgesetzten pflichtwidrigen Verhalten habe ich die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls auch ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu kündigen. Das heißt, ich habe die Möglichkeit, über eine Abmahnung mir die Option einer kurzfristigen Kündigung zu eröffnen und zusätzlich einen Schadensersatz geltend zu machen. Ist eine Schlichtung nach einer Beschwerde erfolgversprechend oder folgt häufig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses? Es gibt durchaus Schlichtungen, die erfolgversprechend sind. Es gibt die Option, externe Schlichter einzuladen. So eine Mediation hilft zur Streitbeilegung und zum besseren Verständnis des jeweiligen Gegenübers. Aber je später man diesen Weg wählt, desto verhärteter sind häufig die Fronten. Am Ende ist es zumeist nur eine Frage des gegenseitigen Verständnisses. Die Führungskraft, von der man sich unter Druck gesetzt fühlt, muss selbst auch abliefern und hat Verantwortung für ein bestimmtes Ergebnis. Was der unterstellte Mitarbeiter möglicherweise nicht sieht. Umgekehrt bemerkt die Führungskraft häufig gar nicht, dass sie diesen Druck weitergibt und was sie damit anrichten kann. Daher hilft es in der Regel, miteinander zu sprechen, um Verständnis füreinander zu bekommen und Lösungswege zu finden. Ein großes Problem ist meines Erachtens, dass in solchen Situationen zu wenig miteinander und zu häufig übereinander gesprochen wird. Wenn viel mehr miteinander gesprochen würde, hätten wir Anwälte weniger zu tun. Lesen Sie auch: Stute-Insolvenzen: Mitarbeiter und Betriebsrat kritisieren fehlende Informationen

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