Messerattacke an Paderborner Lunapark-Kirmes wird vor Gericht nachgespielt

Paderborn. Wenn es vor Gericht um die Aufklärung von Straftaten geht, steht das gesprochene Wort im Mittelpunkt. Mit seiner Hilfe lassen Zeugen nämlich wahrgenommene Geschehnisse Revue passieren und ermöglichen im Idealfall den Richtern, sich ein genaues Bild zu machen. Es gibt aber auch Fälle, da stößt das gesprochene Wort an seine Grenzen, vor allem wenn es komplexe, dynamische Ereignisse sind, die aufgeklärt werden müssen – so wie diejenigen, die sich vor mehr als einem Jahr auf dem Lunapark zutrugen. Damals wurde ein Schausteller Opfer einer Messerattacke. Wie berichtet, hält Verteidiger Martin Mauntel es für falsch, dass sein Mandant Ahmed B. (alle Namen geändert) im November wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Deshalb hat er Berufung gegen die Entscheidung des Paderborner Schöffengerichts eingelegt. Weil somit die 7. Kleine Strafkammer des Landgerichts die Geschehnisse komplett neu zu erarbeiten hat, muss auch Tom C. (alle Namen geändert) am zweiten Verhandlungstag erneut als Zeuge erscheinen. Mit dem 47-jährigen Mitarbeiter der Geisterbahn hatten die Ereignisse, in deren Verlauf der Schausteller David I. einen Messerstich in die Flanke erhielt, ihren Anfang genommen. Ein Erschrecker der Geisterbahn auf Lunapark hat Erinnerungslücken Dass er damals Ahmed B. und seinen Freund aufgefordert hatte, den Kirmesplatz zu verlassen, nachdem Fahrgeschäfte und Imbisse schon geschlossen hatten, weiß der sogenannte Erschrecker, der seinen Beruf mit &bdquo;Künstler“ angibt, noch immer ganz genau. Und auch, dass die beiden jungen Männer auf dem Platz herumgepöbelt und randaliert hatten, indem sie mit ihren Fäusten auf die verschlossenen Buden eindroschen. Doch die Ereignisse, die dann folgten, sind anscheinend in seinem Gedächtnis nicht sicher abgespeichert gewesen. Lesen Sie auch: Lunapark in Paderborn: Messerstich auf Kirmes kommt erneut vor Gericht Jetzt, in der zweiten Instanz, schildert er sie so ganz anders als direkt nach der Tat bei der Polizei oder im vergangenen November vor dem Schöffengericht. Selbst als Tom C. zusammen mit Verteidiger Mauntel, der Staatsanwältin sowie dem Nebenklagevertreter die Situation szenisch dargestellt hat, mag sich keine Klarheit einstellen. Viele Fragen bleiben offen, etwa ob der später verletzte David I. den Angeklagten von hinten kräftig packte und fast zu Boden brachte oder diesen nur mit ausgestreckten Armen abwehrte. Ob Ahmed B. gezielt sein Messer gegen den 42-Jährigen führte oder ziellos nach hinten stach. Wie viele Menschen es waren, die das lautstarke Geschehen als Beobachter aus Nähe verfolgten. Der Prozess am Landgericht Paderborn geht in Kürze weiter Auch der Erschrecker-Chef, der damals seinem Angestellten zu Hilfe geeilt war, hat so einige Probleme mit seiner Erinnerung. Alfred C. spricht von einem &bdquo;riesigen Gerangel“ und davon, dass &bdquo;im nächsten Moment sehr, sehr viele Menschen da waren“. Wer das war, will der 39-Jährige nicht wissen. Ganz präsent ist ihm aber noch, dass Ahmed B. ein Messer zog und dann zurückwich. &bdquo;Er hat geschrien, dass er uns alle absticht“, sagt Alfred C. Er selbst sei stehen geblieben. &bdquo;Meine Mitarbeiter standen ja hinter mir“, erklärt der 39-Jährige – und hat dann, nachdem Verteidiger Martin Mauntel aus seiner Aussage zitiert, die er direkt nach dem Vorfall bei der Polizei gemacht hatte, doch noch eine Erinnerung parat. &bdquo;Ja“, sagt der Zeuge, als Ahmed B. mit dem Messer in der Hand und Drohungen ausstoßend einige Schritte rückwärts ging, &bdquo;hatte ich schon den Eindruck, dass er abhauen wollte“. Ein Ansinnen, das scheiterte, denn David I. hatte von hinten die Szenerie betreten – völlig ahnungslos, ohne zu wissen, dass der 25-Jährige ein Messer in den Händen hielt. Und so hat das Gericht am Ende des zweiten Verhandlungstages noch so einigen Klärungsbedarf. Der Prozess wird am Montag, 27. Mai, fortgesetzt, einen vierten Termin soll es drei Wochen später am Montag, 17. Juni, geben.

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