Chef der Paderborner St.-Vincenz-Kliniken: „Auch das Brüderkrankenhaus wäre ein guter Partner“

Hinter den St.-Vincenz-Kliniken liegen aufreibende Monate. Sind die Kliniken, passend zum Jahreswechsel, über den Berg? MARKUS FUNK: Ich glaube, die Kliniken können wieder über den Berg drüber gucken. Es liegt aber noch ein Stückchen Weg bis zum Gipfel vor uns. Die Entscheidung, dass die Kliniken in Trägerschaft der Vincentinerinnen bleiben, ist im Prinzip getroffen. Da fehlt der letzte formale Akt, der am 30. Januar kommt. Die Arbeit fängt jetzt erst an. Die St.-Vincenz-Kliniken sind durch das Insolvenzverfahren nicht automatisch saniert, sondern wir müssen Prozesse, Strukturen und Arbeitsweisen verändern und anpassen. Warum? Die St.-Vincenz-Kliniken sind mit ihren drei Standorten dadurch geprägt, dass es ganz viele, ganz tolle Leute gibt. Aber wir haben in einigen Bereichen auch Strukturen bewahrt, die vor Jahren üblich waren und die sich im Laufe der Jahre in vielen Krankenhäusern verändert haben. Zum Beispiel sind bei uns viele Strukturen je Klinik separat organisiert, etwa Terminmanagement, Raumressourcensteuerung oder Sprechstunden. Da müssen wir dran. Können Sie konkrete Beispiele nennen, was dieses Sanierungskonzept vorsieht? Wir werden beispielsweise ein zentrales Terminmanagement etablieren und ein Sprechstundenzentrum aufbauen. Das heißt, die Sprechstunden werden zum überwiegenden Teil nicht mehr dezentral in den Fachabteilungen überall im Haus stattfinden. Wir werden Abrechnungsthemen zentralisieren und wir werden Künstliche Intelligenz im Bereich der Schreibarbeiten einsetzen. In der Logistik werden wir unsere Transportdienste zusammenführen. Die Veränderung hin zu einem Sprechstundenzentrum werden die Patienten mitbekommen. Ist dies auch bei anderen Themen der Fall? Was uns wichtig ist: Wir wollen die Leistungen am Patienten in keiner Weise negativ verändern. Wie gesagt soll es Veränderungen in Prozessen geben, aber im Idealfall soll der Patient davon wenig merken. Das Insolvenzverfahren soll am 31. März nächsten Jahres abgeschlossen sein. Wie lange werden die Prozesse der Umstrukturierungen dauern? Wir haben 22 Projekte aufgesetzt. Die allermeisten werden im ersten Halbjahr 2024 abgeschlossen sein. Es gibt einige wenige, die bis ins Jahr 2025 reichen werden. Zum Beispiel werden wir in der Zentralen Notaufnahme am Standort St. Vincenz viel verändern und dazu gehört, dass wir sie baulich moderner strukturieren wollen. Damit wollen wir Anfang nächsten Jahres starten. Wie viel Geld wollen die St.-Vincenz-Kliniken durch das Sanierungskonzept einsparen? Das Potenzial, das wir mit der Beratungsfirma WMC Healthcare im Sanierungskonzept ausgewiesen haben, liegt bei knapp 20 Millionen Euro Ergebnisverbesserung. Dagegen muss man die Kostenentwicklung rechnen. Wir werden also nicht unser Ergebnis 1 zu 1 um 20 Millionen verbessern können. Auf der anderen Seite stehen Ausgaben für das Insolvenzverfahren. Das Insolvenzverfahren wird in einer Größenordnung zwischen 15 und 20 Millionen Euro gekostet haben, wenn es abgeschlossen ist. Dahinter verbergen sich zum Beispiel Gerichtskosten und Kosten für das Sanierungskonzept, für den Sachwalter, die Generalbevollmächtigten und die Berater. Auch musste das Bieterverfahren durch eine Art Unternehmensmakler begleitet werden. Um das Vincenz zu sanieren, bauen Sie auch Stellen ab. Den 108 Mitarbeitenden, die ihren Job verlieren, haben Sie Ende November das Angebot der Transfergesellschaft gemacht. Wie wurde das angenommen? Über 90 Prozent haben das Angebot angenommen. Die Anzahl der Kündigungen, die wir zum Schluss ausgesprochen haben, war einstellig. Wir haben gehört, dass der weit überwiegende Teil der Menschen schon neue Stellen gefunden hat. Viele Träger aus der ganzen Region haben sich direkt bei uns gemeldet, denen haben wir Kontakte in die Transfergesellschaft vermittelt. Unter den 108 Mitarbeitenden sollen sich keine Pflegekräfte am Bett und keine Ärzte befinden. Zugleich verringert das St. Vincenz den Personalstamm auch dadurch, dass manche befristete Stellen nicht verlängert werden. Sind besagte Bereiche davon betroffen? In diesen Dienstarten haben wir über das natürliche Auslaufen den Stellenplan angepasst. Wir haben uns den Ärztlichen Dienst sehr genau angesehen, wo es Potenziale zwischen den Kliniken gibt. Knapp 20 Stellen, mehr waren das nicht. Zum Vergleich: Im Ärztlichen Dienst haben wir insgesamt 270 Vollzeitstellen. Sie haben zuletzt mehrfach öffentlich weitere Kündigungen in solcher Größe ausgeschlossen. Bleibt es dabei? Ja, in der Annahme, dass unsere Leistungen stabil bleiben, gehen wir weiterhin davon aus. Zeitweise hat die Ordensgemeinschaft die Katholische Hospitalvereinigung Weser-Egge (KHWE) als mögliche Partnerin ins Spiel gebracht. Zuletzt hieß es, dass die Gesprächskanäle offengehalten werden. Wann könnte das Vincenz weitere Gespräche führen? Da muss man eine Sekunde ausholen. Die Vincentinerinnen haben als ihren Hauptsendungsauftrag die stationäre Krankenversorgung. Wäre das Krankenhaus durch die Insolvenz weg gewesen, wäre das für den Orden auch aus seiner spirituellen Überzeugung heraus ein riesiges Problem gewesen. Nichtsdestotrotz haben sich die Schwestern schon 2022 Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll. Denn natürlich weiß der Orden, dass er ein relativ hohes Durchschnittsalter hat. Nachwuchs ist ein schwieriges Thema. Schon 2022 hat man den Beschluss gefasst, dass man sich einen Partner suchen möchte - immer unter der Bedingung, dass der vincentinische Geist erhalten bleiben soll. Es bleibt dabei, dass wir regional und überregional in Gespräche eintreten wollen, wenn wir das Insolvenzverfahren abgeschlossen haben. Werden Sie sich dann auf christliche oder speziell katholische Kooperationspartner fokussieren? Ja, man wird sich mindestens auf christliche, in der Regel katholische Träger fokussieren. Inwieweit existieren Gedankenspiele, mit den anderen beiden Akutkrankenhäusern in Paderborn noch deutlich mehr als ohnehin schon zusammen zu arbeiten? Da sind wir genauso offen in die eine wie in die andere Richtung im Moment. Auch das Brüderkrankenhaus wäre ein guter Partner für uns. Wie wichtig sehen Sie es dabei an, dass Paderborn und die Region trotzdem unterschiedliche Krankenhaus-Angebot haben? Die Medizin ist ein Bereich, der extrem durch Innovationen getriggert wird. Daher stört mich derzeit ein wenig eine Sache an den Reformplänen der Bundesregierung. Es macht natürlich Sinn, Strukturen zu clustern und Schwerpunkte zu schaffen. Wenn wir aber in eine Monopolstruktur in der Gesundheitsversorgung für ganze Regionen kommen, dann wird es keinen Wettbewerb mehr geben. Ich glaube aber, dass Wettbewerb Innovation und Qualität in der Medizin fördert - mal völlig unabhängig von der ökonomischen Seite. Welche Veränderungen auf die hiesige Krankenhauslandschaft werden Ihrer Einschätzung nach zukommen? Ich glaube, dass wir die lokalen und regionalen Kooperationen deutlich intensivieren können und sollten. Schon heute macht nicht mehr jeder alles. Die Frauen- und Kinderklinik ist beispielsweise bei uns, die Wirbelsäule ist im Brüderkrankenhaus. Natürlich wird es auch immer noch parallele Strukturen geben, weil man ein Krankenhaus dieser Größe zum Beispiel nie ohne Innere Medizin führen kann. Insgesamt gibt es schon ganz gute Abstimmungen, aber da ist noch Luft - auch über die Stadtgrenzen hinaus, wenn man Richtung KHWE denkt. Gibt es da schon konkrete Themen? Da gibt es natürlich ganz viele Ideen, aber so konkret, dass wir darüber reden würden, noch nicht. Es gab ein ganz konkretes Projekt vor der Insolvenz, dass man eine Neurochirurgie als gemeinsames Projekt des Brüderkrankenhauses und des St.-Vincenz-Krankenhauses etablieren wollte. Mit einer klaren Zuordnung, wer macht Wirbelsäule und wer macht Kopf. Das müsste im Zuge der Krankenhaus-Planung NRW allerdings erst noch genehmigt werden. Vor Paderborn waren Sie in Rendsburg-Eckernförde Geschäftsführer bei den Imland-Kliniken, bei denen Sie ebenfalls ein Insolvenzverfahren gemanagt haben. Als das vorbei war, sind Sie gewechselt. Werden Sie, wenn das Paderborner Verfahren abgeschlossen ist, zum nächsten Krankenhaus aufbrechen, das Hilfe braucht? Mein Vertrag ist unbefristet. Nach wie vor hat meine Familie den Lebensmittelpunkt in Schleswig-Holstein. Wir überlegen aber, das mittelfristig zu ändern. Dafür muss es hier eine langfristige Perspektive geben und das Insolvenzverfahren muss beendet sein.

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