Ehefrau erstochen und erwürgt: Sieben Jahre Haft für 69-jährigen Paderborner

Paderborn-Schloß Neuhaus. Etwas mehr Zeit als die angekündigten 20 Minuten brauchte das Schwurgericht schon, um im Fall des Paderborners, der im März seine Frau im eigenen Wohnzimmer zunächst erwürgte und ihr dann auch noch drei tödliche Messerstiche zufügte, zu einem Urteil zu finden. Trotzdem neigt sich gerade mal der Vormittag dem Ende zu, als der Vorsitzende Richter Eric Schülke zusammen mit der Kammer den großen Saal des Landgerichts betritt, um die Entscheidung zu verkünden und zu begründen. Dabei liegen die Anträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung weit auseinander. Ankläger Kai Uwe Waschkies fordert einen Schuldspruch wegen Totschlags und eine Haftstrafe in Höhe von achteinhalb Jahren, Verteidiger Maximilian Steinert eine Freiheitsstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren. Unisono gehen beide von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit aus. Gutachter Gerhard Dankwarth hat zuvor das Verbrechen als Affekttat bezeichnet, die &bdquo;infolge einer tief greifenden Bewusstseinsstörung“ erfolgt sei. Der Experte geht davon aus, dass sich Thomas K. (Namen geändert), ausgestattet mit narzisstischen Persönlichkeitszügen, nach seiner Verrentung durch das umtriebige und erfüllte Leben seiner Frau gekränkt fühlte. Ganz im Gegensatz zu ihr hatte sich der 69-Jährige in sein eigenes Zuhause zurückgezogen, um sich dort vor allem um den Hund zu kümmern. Der Experte spricht von &bdquo;selbst gewählter Einsamkeit“, aber auch davon, dass sich Thomas K. von seiner aktiven Frau &bdquo;verlassen“ gefühlt habe. "Affektstau" entlädt sich an dem Abend im März Wahrscheinlich habe sich ein &bdquo;Affektstau“ gebildet, der sich an dem Märzabend entladen habe - vermutlich nach einer Auseinandersetzung, die möglicherweise nur eine Bagatelle zum Anlass hatte. Zu dieser Einschätzung gelangt der Psychiater letztlich vor allem aufgrund der Tat, die er als &bdquo;Overkill“, also als &bdquo;Übertötung“, kennzeichnete, sowie aufgrund des massiven Suizidversuchs, den der Angeklagte im Anschluss unternahm. Dass sich Thomas K. tatsächlich nicht an die Tat und an das, was ihr vorausging, erinnern kann, hält der Psychiater für nicht unwahrscheinlich. Der 69-Jährige habe sich selbst so schwere Stich- und Schnittverletzungen zugefügt, dass er einen &bdquo;massiven“ Blutverlust erlitten habe. Ein damit verbundener Schock habe möglicherweise eine zeitweilige &bdquo;Minderdurchblutung“ des Gehirns zur Folge gehabt. Dadurch, so Dankwarth, könnten Erinnerungen verlorengegangen sein. &bdquo;Neueste Erinnerungen sind am empfindlichsten.“ Während Verteidiger Maximilian Steinert diese Einschätzung teilt und im Sinne seines Mandanten berücksichtigt wissen will, mag Ankläger Waschkies von einem Erinnerungsverlust nichts wissen. Thomas K. habe nur wenig zur Aufklärung beitragen und sei ohne Scham und ohne Reue aufgetreten, sagt er. Zwar glaubt auch er, dass sich an diesem Abend im März eine Konfliktsituation affektartig entlud, doch der Angeklagte, der zu Gewaltausbrüchen neige, habe letztlich &bdquo;aus eigensüchtigen Motiven entschieden“, dass seine Frau sterben müsse. Ausmaß der Gewalt &bdquo;für alle furchtbar“ Das sei nahe an den sogenannten &bdquo;niederen Beweggründen“, die das Gesetzbuch als eines der Merkmale vorsieht, die ein Tötungsdelikt zu einem Mord machen, so Waschkies abschließende Einschätzung in seinem Plädoyer, das Verteidiger Steinert nicht unwidersprochen hinnehmen will. &bdquo;Mein Mandant ist nicht der gewalttätige Mensch, wie er von der Staatsanwaltschaft dargestellt wird“, sagt er und spricht von der 46 Jahre währenden Ehe, von den Reiseplänen. Thomas K., der mit seiner Frau &bdquo;glücklich“ gewesen sei, könne &bdquo;seine Emotionen nicht zeigen“, betont Steinert und bittet mit seinem Antrag um ein &bdquo;mildes Urteil“. Tatsächlich finden die Richter schließlich zu einem Strafmaß, das mit sieben Jahren Haft fast genau in der Mitte der Anträge von Anklage und Verteidigung liegt. Sicherlich sei Thomas K. für den Tod seiner Frau verantwortlich, so ihre Bilanz. Aber sie folgen gleichfalls der Ansicht des Gutachters, dass &bdquo;eine verminderte Steuerungsfähigkeit“ beim Angeklagten nicht ausgeschlossen werden könne und sprechen von einem &bdquo;schweren Affektdurchbruch“. Das Ausmaß der Gewalt sei &bdquo;für alle furchtbar“, weiß der vorsitzende Richter Eric Schülke. Aber strafschärfend dürfe sich das nicht im Urteil niederschlagen. Es sei Teil des Affektdurchbruchs, gehöre mit zur &bdquo;tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“, die sich bei Thomas K. an diesem Abend Bahn brach. &bdquo;Kein Urteil eines Schwurgerichts bringt einen getöteten Menschen zurück“, sagt Eric Schülke. Worte, die er vor allem an die beiden Kinder des Paares richtet. Diese sitzen zusammen mit anderen Verwandten und Freunden im Publikum. Zuvor hat Rechtsanwalt Matthias Cramer, der ihre Interessen während des Prozesses vertritt, in seinem Plädoyer daran erinnert, dass Elvira K. &bdquo;Mittelpunkt der Familie über die Generationen hinweg gewesen“ sei. Ihren Verlust, die Lücke, die sie hinterlasse, spürten die Hinterbliebenen lebenslang.

Meistgelesen