Paderborner Einrichtungsexpertin: "Zwei gleiche Nachttische? Gibt es bei mir nicht"

Frau Gök Che, als Treffpunkt für unser Interview haben Sie die Stadtbibliothek vorgeschlagen. Was verbinden Sie mit diesem Ort? Emell Gök Che: Ich liebe einfach historische Gebäude! Hier hast du dieses wunderschöne Gebäude der Stadtbibliothek, dann diese süßen kleinen Fachwerkhäuser, die tolle Domanlage – also das ist hier wirklich wie im Urlaub. Ich bin ja in Paderborn aufgewachsen, habe hier studiert und wohne hier. Ich war zwischendurch auch an ganz vielen anderen Orten, auch durch meine Drehs, bin auch viel in Berlin und Istanbul, aber ich finde nach wie vor: Paderborn ist einfach ein wunderschöner Ort. Zum Leben. Hier kann man runterkommen, hier kann man Ruhe finden. Nach Ruhe sieht Ihr aktuelles Projekt in Paderborn nicht gerade aus: Auf Instagram sah man Sie mit einem Vorschlaghammer eine Wand einreißen. . . Stimmt, ich beziehe einen neuen Showroom mit Atelier und Ausstellungsfläche mitten in Paderborn und den renovieren mein Bruder und ich gerade. Ich mag einfach die Abwechslung zwischen Ruhe und Aktivität. Ich bin schon eine Frau, die gerne mit anpackt. Andererseits ist mir die Ruhe in den Planungsphasen auch wichtig. Ich höre ja auf keinen, nur auf mich (lacht). Und man braucht schon Ruhe, um seine eigene innere Stimme zu hören. Was sagt diese Stimme denn so? Woher kommen Ihre Ideen, Ihre Inspiration? Für mich ist designen ein bisschen, wie philosophieren. Beim Designen musst du ganz viele Entscheidungen treffen und die müssen miteinander harmonieren. Das ist ja gerade die Kunst beim Einrichten: eine Harmonie zu schaffen, so wie bei einem leckeren Gericht. Wenn du zu viel Chili rein tust, ist es zu scharf. Aber wenn du eine Harmonie von verschiedenen Gewürzen erschaffst, die noch einmal etwas ganz Eigenes hervorrufen, dann beherrschst du die Kunst. Und das ist beim Design genauso. Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? Was ist typisch Emell Gök Che? Ich mag den Mix, wenn in einem sehr zeitgenössischen Ambiente auch mal Retro-Elemente sind. Mid-Century zum Beispiel liebe ich. Ich finde es einfach gut, wenn man Dinge zu Ende denkt. Und ich finde es gut, wenn man Mut zeigt, auch mal Leere zuzulassen. Nicht die ganze Wand voller Bilder, sondern vielleicht ein großes und den Rest auch mal leer lassen. Worauf ich auch viel Wert lege, ist Komposition. Was meinen Sie damit? Ich habe Kunst und Design studiert, ich finde, Komposition ist eine der goldenen Regeln, auch bei der Inneneinrichtung. Ich betrachte jeden Raum, jede Wand wie ein Bild. Allein die Entscheidung, wo man etwas platziert, kann viel ausmachen – niemals mittig, würde ich sagen. Man kann ruhig auch hier und da mal die Symmetrie brechen. Die meisten Menschen haben zwei gleiche Nachttische – mache ich nur in Ausnahmefällen, die Kunden es ausdrücklich wünschen, aber bei mir würde ich das niemals machen. Warum müssen beide Seiten gleich aussehen? Keine gleichen Nachttische also. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Wie sieht es bei Ihren zuhause aus? Wie wohnen Sie? Ich liebe es, minimalistisch einzurichten. In Deutschland wird viel minimalistisch eingerichtet, aber leider zu kühl – für meinen Geschmack. Minimalistisch, aber trotzdem gemütlich, wohnlich sollte es sein. Aber auch nicht heimelig, stets designorientiert. Also wenn Sie fragen, wie es bei mir Zuhause aussieht: vom Grundton modern, zeitlos, geradlinig, wohnliche Materialien, und dann mit Besonderheiten aufgepeppt. Das kann ein toller Stoffbezug beim Sofa sein, eine coole Lampe – und natürlich das eine oder andere Kunstwerk an den Wänden. >>> Lesen Sie hier mehr zum Thema Wohnen im Kreis Paderborn So als Interior Designerin – wie oft dekorieren Sie selbst um? Tatsächlich gar nicht so oft, wie man vielleicht denken könnte. Ich finde es schön, mich zuhause dann einfach mal ausruhen und entspannen zu können. Ab und zu muss ich dann aber doch mal die Möbel umstellen und so alle zwei, drei Jahre auch neu streichen (lacht). Umziehen zum Beispiel liebe ich – da kannst Du das Buch noch einmal ganz neu schreiben. Gibt es denn ein Lieblingsmöbelstück bei Ihnen zuhause? Ein paar Kunstwerke natürlich und ich habe ein Daybed – ich entwerfe ja auch Möbel, darunter auch Polstermöbel. Dieses Daybed begleitet mich jetzt schon sehr lange. Polstermöbel finde ich auch deshalb so schön, weil man von Zeit zu Zeit den Stoff einfach mal wechseln kann. Wenn das Design zeitlos ist, kann ein Möbelstück Dich so echt lange begleiten, weil es nie langweilig wird. Aktuell wird im ZDF Ihre Sendung &bdquo;Mein fabelhaftes Ferienhaus“ ausgestrahlt. Darin gestalten Sie in die Jahre gekommene Ferienhäuser für Familien um. Was denken Sie, wenn Sie die Wohnungen zum ersten Mal sehen? Haben Sie sofort Ideen? Ich gucke immer als Erstes: Gibt es etwas, was man weiterverwenden könnte? Hängt vielleicht auch der Kunde an einer bestimmten Sache? Es muss nicht immer alles neu sein. Das ist mein Ausgangspunkt. Dann habe ich natürlich bestimmte Farben, bestimmte Dinge, von denen ich sage: Das passt da gut. Dazu trägt inzwischen auch die Erfahrung viel bei. Wir waren zum Beispiel in einem Strandhaus in Holland – das hat förmlich geschrien nach Boho, einem Stil mit hellen, erdigen Farben, Gemütlichkeit und einem Mix aus verschiedenen natürlichen Materialien. In der Sendung müssen die Kunden ja zwischen zwei Entwürfen für die Umgestaltung wählen. Genau, die Kunden haben meistens einen Wunsch und ich biete dann noch eine Alternative – oft kommt die gut an. Ich mache mir ja meine Gedanken und das überzeugt die Leute auch oft. Ich muss eins sagen: Die offenen Kunden bekommen die tollsten Ergebnisse. Wirklich. Manche trauen sich nicht, und ich sage dann gerne: Lasst mich Euer Mut sein. Wenn ich eine Empfehlung ausgebe, hat das ja Hand und Fuß, da stecken Überlegungen hinter, Erfahrungswerte. Da geht es ja nicht nur um meinen Geschmack. Geschmack ist ein gutes Stichwort: Sie sind ja auch Künstlerin – wie schwer fällt es Ihnen, zu sagen: Das ist jetzt Kundenwunsch – wer bezahlt, entscheidet. Ist das auch manchmal ein Widerspruch? Ja, das ist auf jeden Fall manchmal ein Zwiespalt. Vor allem wenn der Wunsch nicht meinem Empfinden von Ästhetik entspricht (lacht). Zwei Herzen schlagen in meiner Brust: das eine für die Kunst, das andere fürs Design. Ich habe mich aber niemals selbst so in eine Ecke gedrängt, mich für eins zu entscheiden. Menschen können und dürfen vieles sein. Ich finde es wichtig, dass man sein Leben so gestaltet, dass man sich selbst gerecht wird. In meinen Augen bin ich nicht nur Künstlerin oder nur Designerin. Ich bin jemand, der ästhetische Lösungen finden kann für Menschen, die nicht weiterwissen. Es geht ja beim Einrichten darum, Lebensqualität zu schaffen, aber trotzdem klug zu planen, Geld zu sparen, nachhaltig zu arbeiten. Menschen Räume zu schaffen, in denen sie glücklich sind. Ich bin eine Lebensqualitätsschafferin. Da kann ich dann auch über meinen eigenen Schatten springen.

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