Schlaganfall mit sieben Jahren: Ein junger Paderborner kämpft sich zurück ins Leben

Paderborn. Eines Morgens wacht Roland Prieb auf und kann nicht aufstehen. Seine Hand ist zu einer Faust geballt, lässt sich nicht öffnen. Er ist sieben Jahre alt. Seine Mutter will wissen, was los ist - doch er kann nicht sprechen. Einige Stunden später erfahren sie: Roland hatte in der Nacht einen Schlaganfall. Für die Familie beginnt eine Suche nach der Ursache, Unterstützung und Heilung. Eine entscheidende Rolle spielte dabei der Verein Stroke Families, der Familien mit von Schlaganfall betroffenen Kindern Unterstützung anbietet. Die Krankheit traf Roland und seine Familie völlig unvorbereitet. "Damals wusste ich nicht einmal, wofür eine Neurologiestation im Krankenhaus zuständig ist", sagt Natalie Prieb. Heute ist die Mutter des mittlerweile 12-jährigen Roland stellvertretende Vorsitzende der Selbsthilfegruppe Stroke Families, organisiert Unternehmungen und berät betroffene Familien. Roland kam nicht aus dem Bett An den Tag, als Roland krank wurde, erinnert Natalie Prieb sich noch genau. "Es war ein Montagmorgen, der 13. Februar 2017", sagt sie. Als sie bemerkt habe, dass es Roland nicht gut ging, habe sie zunächst an ein kursierendes Magen-Darm-Virus gedacht. Am Tag zuvor sei Roland weder krank gewesen noch habe er eine Impfung bekommen. "Ich wollte ihn trotz Unwohlsein zur Schule schicken", sagt sie. Doch dann wurde ihr klar, dass Roland ohne Hilfe nicht aus dem Bett kam. Sie fuhren zu ihrem Kinderarzt, der zufällig auf Neurologie spezialisiert war. "Nach ein paar Übungen mit Roland - der konnte ja nicht sprechen - wusste der Arzt Bescheid", sagt Prieb. Er riet der Mutter, schleunigst im Rettungswagen oder selbst ins Krankenhaus zu fahren. "Zum Glück wusste ich noch nicht, welchen Verdacht er hatte. Sonst hätte ich sicher nicht mehr selber fahren können", sagt Prieb. In der St.-Louise-Kinderklinik wurden Natalie Prieb und Roland bereits erwartet. "Dort ging alles sehr schnell", erinnert sich Natalie Prieb. Roland wurde in der Neurologie vorgestellt, ins MRT und zu weiteren Untersuchungen gebracht. "Um 17 Uhr kam die Diagnose vom Oberarzt", sagt Prieb. Ein Thalamusinfarkt, also eine Durchblutungsstörung im Gehirn, hatte dafür gesorgt, dass Rolands rechte Körperhälfte gelähmt war, sein Sprachvermögen gestört. "Er konnte nicht einmal Mama sagen, das war wirklich schlimm", sagt Prieb. Roland hat keine Erinnerung an den Schlaganfall und die ersten Stunden danach. "Er saß die meiste Zeit einfach nur schlapp auf meinem Schoß", erzählt Prieb. Zehn Tage lang blieben Mutter und Kind in der Klinik. An die netten Leute im Krankenhaus und den vielen Besuch erinnert sich auch Roland. "Und meine Hand war die ganze Zeit eine Faust." Therapien zeigen Erfolg Nach zehn Tagen in der Kinderklinik kommen Mutter und Sohn für sechs Wochen in eine neurologische Rehaklinik in Bremen. Für den Siebenjährigen beginnt eine lange Zeit des Wiederlernens. "Nach einigen Wochen hat Roland gemerkt, dass er Dinge nicht mehr konnte, die er vorher konnte", erinnert sich Natalie Prieb. Das sei sehr schwer gewesen, Roland habe viel geweint. Sie erinnert sich an die erste Stunde in der Schwimmtherapie. Roland sei einfach ins Wasser gesprungen. "Er hatte noch nicht begriffen, dass er nicht mehr schwimmen konnte", sagt Prieb. Die Therapeutin sei in Kleidung ins Wasser gesprungen und habe Roland wieder herausgeholt. Es sei schwierig gewesen, ihren Sohn immer wieder zu den Therapien zu motivieren, sagt Natalie Prieb. "Früher war er der Sonnenschein der Klasse, sehr präsent, wollte gerne Klassensprecher werden", so Prieb. Das war für eine lange Zeit nicht vorstellbar. Doch die harte Arbeit zeigt Erfolg. Bis heute hat Roland wöchentlich Physio- und Ergotherapie, nimmt täglich eine Aspirin. Er kann wieder Fahrradfahren, hat das silberne Schwimmabzeichen gemacht, geht zur Gesamtschule in die siebte Klasse. Sein Hobby ist Volleyball. "Ich sehe da keine Probleme", sagt Roland nach seinem Alltag befragt. Ein Spezialist findet die Ursache Während die Therapien Wirkung zeigen, bleibt die Ursache für den Schlaganfall lange ungeklärt. "Ich hatte das Gefühl, alle Ärzte waren mit unserem Fall überfordert", so Prieb. Nur dank des Vereins Stroke Families hat Natalie Prieb nach vielen vergeblichen eigenen Versuchen bei dem auf kindlichen Schlaganfall spezialisierten Ronald Sträter in Münster einen Termin bekommen. "Niemand konnte uns in den vorherigen Kliniken helfen, nicht einmal mit einem Termin bei einem Spezialisten", sagt Prieb. Neun Monate nach dem Schlaganfall findet Ronald Sträter die Ursache: Eine Entzündung der Nackenarterie hat für ein Blutgerinnsel gesorgt, das in den Kopf gestiegen ist. Zwar ist die Entzündung trotz Kortison-Behandlung noch da. Doch Natalie Prieb fühlt sich gut aufgehoben. Zweimal im Jahr fahren sie zur Kontrolle zu Ronald Sträter nach Münster. Neben der Familie und dem eigenen Freundeskreis hat Natalie Prieb Halt bei den Stroke Families gefunden. "Es war toll, dass wir uns dort austauschen konnten, gemeinsame Aktivitäten geplant wurden", sagt sie. "Das hätte ich in der schwierigen Situation damals alleine nicht geschafft." Seit Oktober teilt sie sich mit Isabella Artiss den Vorstand des Vereins. Erst im vergangenen Dezember habe sie zum ersten Mal auf einem Seminar des Vereins von Rolands Geschichte erzählen können, ohne in Tränen auszubrechen. "Ich bin angekommen." Nun sei sie bereit, anderen Betroffenen zu helfen. Mehr Informationen unter https://stroke-families.de/

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