Prozess um Stahldiebstähle bei Benteler: Zwei Anläufe für eine brauchbare Aussage

Paderborn. Auf dem Zeugenstuhl eines Gerichtes nehmen die meisten Menschen nicht gerade mit Vergnügen Platz. Manch einer ist mächtig aufgeregt, vor allem wenn so der erste Kontakt mit Justitia erfolgt. Einen 68-Jährigen nahm vor zwei Wochen sein Auftritt vor der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Paderborn so sehr mit, dass die Vorsitzende Richterin Anne Zacharias nach einer Weile einen Arzt samt Rettungswagen anrücken ließ. Der erkennbar aufgeregte Senior hatte so seine Schwierigkeiten, sein Wissen über die mutmaßlichen Stahldiebstähle bei der Firma Benteler mitzuteilen. Die Kammer brach ab und lud den Rentner am fünften Verhandlungstag nochmals ein. Mit Rechtsanwalt Benedikt Klein an seiner Seite bekam der 68-Jährige nun seine Aussage besser hin. Zeugen sind das wichtigste Beweismittel in dem Verfahren, dem sich fünf Männer stellen müssen, die in der Zeit von 2012 bis 2015 rund 5.000 Tonnen Stahl der Firma Benteler gestohlen und an einen holländischen Schrotthändler verkauft haben sollen. Das Quintett schweigt nämlich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft, die den Schaden für das Unternehmen auf rund 900.000 Euro und für den Fiskus auf über 400.000 Euro beziffert. Und so wollen die Richter möglichst viele der Menschen hören, die vielleicht etwas mit dem Fall zu tun oder Erkenntnisse über die Geschehnisse haben können. 200 bis 300 Euro als Bezahlung Zu ihnen gehört auch der 68-Jährige. Wortkarg beantwortet er die Fragen der Vorsitzenden. So erfährt die Kammer, dass er Emil L. (alle Namen geändert) über einen gemeinsamen Bekannten kennengelernt hatte. Freunde sei man nicht geworden, sagt der Zeuge, aber irgendwann habe ihn Emil L. gefragt, ob er einen LKW fahren könne. An drei Touren, für die er jeweils 200 bis 300 Euro bekommen haben will, kann er sich konkret erinnern. Jedes Mal holte der Senior den Lastwagen in Schloß Holte-Stukenbrock bei einem Kfz-Verleih ab, parkte ihn in Sennelager im Industriegebiet, um mit diesem dann nach einem Anruf von Emil L. frühmorgens Richtung Helmond aufzubrechen. Beim Beladen des LKW sei er nie dabei gewesen, sagt der 68-Jährige. Allein war er seiner Erinnerung nach nicht unterwegs. Emil L. habe ihn stets zu dem Fahrzeugverleih gefahren und ihn auf den Touren nach Holland begleitet. Der 44-Jährige habe zudem das Finanzielle und den Papierkram erledigt, bekundet der Zeuge, bevor er nach nicht einmal einer halben Stunde erleichtert den Gerichtssaal verlassen darf. Komplexe Lieferkettenprozesse in den Hallen Bedeutend lockerer und gesprächiger beschreibt anschließend ein Benteler-Mitarbeiter die komplexen Lieferkettenprozesse in den weitläufigen und zahlreichen Hallen des Stahlbetriebes. Klar, dass es da um die Brüder Robin und Barry B. geht, die damals für das mit der internen Logistik beauftragte Unternehmen tätig waren. Die beiden seien "in einer gehobenen Position" tätig gewesen, weiß dieser Zeuge. Entsprechend weitgehend seien deren Befugnisse in der EDV gewesen, sagt er und berichtet von rund 150 Terminals, die allein im Werk in Schloß Neuhaus stünden. An all diesen sei das Erzeugen und Abmelden von Verladescheinen möglich - wenn der Benutzer über den entsprechend umfassenden Account verfüge. Sicherlich gebe es die Richtlinie, dass sich jeder nach getaner Arbeit abmelden müsse, erzählt der 58-Jährige, gibt aber offen zu, dass diese Vorgabe "aus meiner Erfahrung" nicht umgesetzt werde. Wenn der eine ginge, dann mache der nächste unter dessen Account weiter. Eine automatische Abschaltung gebe es nicht. "Wenn der Rechner nicht abgeschaltet wird, funktioniert das die ganze Woche." Mit der Vernehmung weiterer Zeugen wird auch der sechste Verhandlungstag am Mittwoch, 1. Februar, angefüllt sein. Dann wollen die Richter, die Verteidiger und Oberstaatsanwalt Thomas Heinz auch ihr Rechtsgespräch weiterführen, das sie mittlerweile begonnen haben. Über dessen Inhalt und Ergebnis wird die Vorsitzende Richter im Verlauf der kommenden Verhandlungstermine informieren.

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