Mehr als 1.200 Vermisstenfälle in einem Jahr: Wie die Polizei Paderborn vorgeht

Paderborn. Regelmäßig schickt die Polizei Vermisstenmeldungen raus. Durch Tipps aus der Bevölkerung können die Personen schneller gefunden werden, so die Hoffnung der Beamten. Dabei denken viele direkt an schlimmste Szenarien - wie Kapitalverbrechen oder Entführungen. Tatsache ist aber, dass in den seltensten Fällen ein Verbrechen hinter einem Vermisstenfall steckt. Wie geht die Polizei Paderborn vor, wenn Menschen als vermisst gemeldet werden? "Wir nehmen das immer sehr ernst", betont Polizeisprecherin Corinna Koptik auf Anfrage der "Neuen Westfälischen". Anders als aus Filmen bekannt sein dürfte, müssen für eine Vermisstenanzeige keine 24 Stunden vergehen. Voraussetzungen müssen dennoch erfüllt werden. Schließlich gilt es laut Koptik, die Frage zu klären: "Ist der Ehemann abgehauen oder wird er vermisst?" Daher überprüft die Polizei zunächst, ob die gesuchte Person in seinem Umfeld auffindbar ist. Das heißt: auf der Arbeit, bei Freunden oder Familienmitgliedern. Wenn das nicht der Fall ist, muss ein zweites Element dazu kommen. Schließlich dürften sich Erwachsene generell da aufhalten, wo sie wollen. Die Einschätzung, ob jemand bewusst seinen Alltag zurücklässt, oder tatsächlich vermisst wird, sei dabei oft die zentrale Frage. Wenn jemand also nicht nur im persönlichen Umfeld verschwindet, sondern zusätzlich beispielsweise eine psychische Erkrankung oder eine körperliche Einschränkung hat, "dann gilt er als vermisst", erklärt Corinna Koptik. Dann handele es sich um Menschen, die potenziell in Gefahr und gleichzeitig nicht mehr erreichbar oder auffindbar sind. Bevor die Spuren kalt werden Sind diese Kriterien erfüllt, gehen die Ermittlungen der Polizei weiter. "Da müssen wir schnell ran, bevor die Spuren kalt werden", so Koptik. Die Polizeibeamten vernehmen und befragen dann Angehörige, sammeln Informationen, schauen in der Wohnung oder im Haus nach Spuren und suchen Hinweise. Parallel werde auch in Krankenhäusern ermittelt. Die Suche nach dem Auto oder nach Daten der EC-Karte steht auch auf der Agenda der Polizisten. Und auch die Öffentlichkeit kann zu einem solchen Zeitpunkt in die Vermisstensuche mit eingebunden werden. Das alles "bindet Kapazitäten bei der Polizei und das ist auch ein Thema", so Koptik. Auch die Zahlen spiegeln das wider. So gab es 2020 961 Vermisstenfälle im Kreis Paderborn, 2021 waren es 963 und im Jahr 2022 1.249. Den Anstieg erklärt Koptik mit einer veränderten Situation nach der Corona-Pandemie. Dennoch seien die hohen Zahlen nicht beunruhigend. Denn erstens handele es sich bei den Fällen nicht immer um unterschiedliche Personen. Ein Beispiel: Jugendliche, die einmal abgehauen sind, könnten ihr Verhalten wiederholen. Und zweitens liegt die Aufklärungsquote der Vermisstenfälle im Kreis Paderborn bei knapp unter 100 Prozent, berichtet Koptik. Hinter den Vermisstenfällen steckten in den meisten Fällen Senioren, die krank oder verwirrt sind sowie Jugendliche, die weglaufen. Wenn diese beispielsweise in Betreuungseinrichtungen wohnen und abends nicht zur vereinbarten Zeit zuhause sind, sind die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeit verpflichtet, eine Vermisstenanzeige zu erstatten. Bekannte Fälle aus dem Kreis Paderborn "Die allermeisten tauchen wieder auf", weiß Koptik. Sehr selten handelt es sich also um Vermisstenfälle, die durch ein Verbrechen ausgelöst werden. Ein bekannter Fall in diesem Jahr war ein Lkw-Fahrer. Der Mann wurde über drei Monate vermisst, ist Mitte Juli aber wohlbehalten zurückgekehrt. Wie die Polizei mitteilte, meldete sich der 42-Jährige auf einer Wache in Paderborn. Nach eigener Aussage sei er aus privaten Gründen zwischenzeitlich in Frankreich gewesen. Der Mann war unverletzt und ein Verbrechen konnte ausgeschlossen werden. Ein weiterhin ungelöster Fall ist der von Scarlett S. aus Bad Lippspringe. Die damals 26-Jährige wird seit dem 10. September 2020 vermisst. Sie war in einem steilen und unwegsamen Waldgebiet unterwegs und könnte dort verunglückt sein. Hinweise auf ein Gewaltverbrechen gibt es bisher nicht. Auch die Ausstrahlung der ZDF-Fernsehsendung &bdquo;Aktenzeichen XY... Vermisst“ zu dem Fall brachte keine heiße Spur.

Meistgelesen