Attest vor den Ferien: Lange Wartezeiten bei Praxen in Paderborn

Paderborn. In der Praxis von Kinderärztin Dorothee Poppe steht das Telefon in diesen Tagen nicht still: Grund ist die anhaltende Erkältungswelle. In einem Brief hat sie sich nun an die Redaktion der "Neuen Westfälischen" gewandt. Gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte weist sie daraufhin, dass ein Attest nicht in allen Fällen sinnvoll ist. "Seit Wochen ist nicht nur in dieser Zeitung zu lesen, dass die Kinder- und Jugendmedizin am Limit ist und entlastet werden muss und dass Familien finanziell entlastet werden sollen. Das genaue Gegenteil passiert in dieser Woche wieder in einem Großteil der Schulen", sagt Kinderärztin Dorothee Poppe. Obwohl ein Attest im Schulgesetz ausdrücklich nur bei &bdquo;begründeten Zweifeln“ vorgesehen sei, habe es sich eingeschlichen, dass Patientinnen und Patienten im Schulalter extra für ein Attest in die Praxis kommen. In Paragraf 43 Absatz 2 des Schulgesetzes heißt es konkret: "Ist eine Schülerin oder ein Schüler durch Krankheit oder aus anderen nicht vorhersehbaren Gründen verhindert, die Schule zu besuchen, so benachrichtigen die Eltern unverzüglich die Schule und teilen schriftlich den Grund für das Schulversäumnis mit. Bei begründeten Zweifeln, ob Unterricht aus gesundheitlichen Gründen versäumt wird, kann die Schule von den Eltern ein ärztliches Attest verlangen und in besonderen Fällen ein amtsärztliches Gutachten einholen." Kostenpflichtiger Attest notwendig Dennoch häufen sich zu Ferienbeginn laut der Kinderärztin die "Attest-Besuche". Poppe kritisiert: "Diese pädagogische Kontrollmaßnahme haben wir Kinder- und Jugendärzte in den letzten Jahren toleriert und mitgetragen, diese Atteste sind jedoch keine Kassenleistung und müssen mit fünf bis 10 Euro je Kind von den Familien bezahlt werden." Laut Poppe sei es absurd, dass Eltern bei Wetterlagen entscheiden dürften, ob sie die Kinder zur Schule schicken. Einerseits würden Eltern darum gebeten werden, die Kinder bei Erkältungssymptomen zu Hause zu lassen, damit sie vor Weihnachten Lehrpersonal und Mitschüler nicht anstecken – andererseits müssten sie dafür auch noch ein Attest beim Kinderarzt kostenpflichtig ausgestellt bekommen, um scheinbar zu beweisen, dass sie das Kind wirklich zu Hause lassen würden. Besonders viele Anrufe trudeln seit Montag in Poppes Praxis ein. "Die meisten Eltern benötigen keinen Arzt für die akuten Erkrankungen ihrer Schulkinder, sondern lediglich aus formalen Gründen das Attest. Die Eltern der akut an RSV und grippalen Infekten erkrankten kleinen Kinder und Säuglinge haben dadurch noch mehr Schwierigkeiten, telefonisch zu ihrer Kinderarztpraxis durchzukommen und Termine und Hilfe zu erhalten", sagt die Kinderärztin. Einige Eltern bestehen auf Attest Auf Nachfrage haben alle von der "Neuen Westfälischen" kontaktierten Schulen in Paderborn mitgeteilt, dass sie derzeit in der Regel kein Attest für die Ferienrandzeiten einfordern. So sagt Schulleiter des Pelizaeus-Gymnasiums, Peter Lütke Westhues: "Wir haben diese Regelung aufgrund der momentanen Lage aufgehoben", sagt er. Die Entscheidung sei in Absprache mit den Ärztinnen und Ärzten getroffen worden. Auch die Sprecherin der Paderborner Grundschulen, Maxi Brautmeier-Ulrich betonte, dass sogar an sämtlichen Grundschulen in Paderborn auf ein Attest am ersten Tag vor und nach den Ferien verzichtet werde. "Nur in sogenannten Verdachtsfällen behalten wir uns vor, ein solches Attest zu verlangen", sagt die Schulleiterin der Grundschule in Sande. Brautmeier-Ulrich beobachtet jedoch, dass einige Eltern dennoch ein Attest einreichen wollen, um einen Nachweis präsentieren zu können. "Das ist allerdings nicht nötig. Nur wenn Schülerinnen und Schüler ärztliche Behandlung benötigen, sollten die Eltern auch mit ihnen zum Arzt gehen." Das sieht auch Poppe so. "Kinder- und Jugendärzte wissen, dass im Einzelfall eine Attestpflicht sinnvoll ist. In diesem Fall unterstützen sie gern." In ihrem Schreiben sagt sie allerdings auch: "Wir wehren uns aber gegen vermeintlich notwendige Bescheinigungen nur wegen der Ferien, die uns die Zeit für unsere eigentliche Aufgabe rauben. Im Moment benötigen wir unsere Arbeitszeit und -kraft für die Versorgung der vielen akut erkrankten kleinen Patienten."

Meistgelesen