Paderborn. In Paderborns Innenstadt haben Archäologinnen und Archäologen überraschend Amphorenscherben aus römischer Zeit vor 2.000 Jahren entdeckt. Bisher waren nur wenige, jüngere Hinweise auf die Römerzeit in Paderborn gefunden worden, wahrscheinlich Beute oder Handelsgut von Germanen, teilt der Landschaftverband Westfalen-Lippe (LWL) mit. Die Scherben der vier Amphoren könnten dagegen auf einen Wachposten von römischen Legionären in der Stadt hindeuten, so die Expertinnen des LWL.
Die 550 Quadratmeter große Parkplatzzufahrt an der Ecke Neuhäuser Straße/Paderstraße, wo bald der Bildungscampus des St. Johannisstifts erweitert werden soll, habe das Grabungsteam einer Fachfirma unter Begleitung des LWL archäologisch untersucht. Das Team legte zunächst Spuren aus dem frühen Mittelalter (7. und 8. Jahrhundert) und Fundamente eines preußischen Lazaretts frei. Den Höhepunkt enthüllte der Boden erst am Ende der Arbeiten: Scherben von Weinamphoren deuteten nun darauf hin, dass hier vor gut 2.000 Jahren ein römischer Wachposten gestanden haben könnte.
Dass Paderborn berühmte Persönlichkeiten bereits im frühen Mittelalter anzog, ist nichts Neues: „Die Spuren Kaiser Karls des Großen und berühmter Bischöfe und Bauherren wie Meinwerk prägen unsere tägliche Arbeit genauso wie die Überreste der Luxusartikel, die sie mit in die Stadt brachten“, sagt Paderborns Stadtarchäologin Sveva Gai. „Mit den Scherben römischer Weinamphoren, die in die Zeit des Kaisers Augustus datieren, hat an diesem Ort aber niemand gerechnet.“
Knochen eines Ebers
Da in unmittelbarer Umgebung des Johannisstifts Bodendenkmäler bekannt sind, waren vor Bauarbeiten archäologische Untersuchungen nötig. Frühere Untersuchungen hätten bereits den Blick ins Mittelalter eröffnet und auch die Überreste eines Militärlazaretts des 19. Jahrhunderts enthüllt, das während des Zweiten Weltkriegs bombardiert worden war. „Am letzten Tag der Ausgrabungen erwartete uns eine besondere Überraschung“, erklärte Grabungsleiter Robert Süße von der archäologischen Fachfirma Eggenstein Exca, die die Arbeiten durchführt.

„In einer unscheinbaren Grube in etwa 1,6 Metern Tiefe konnten wir eine muldenförmig gelagerte Anhäufung von Holzkohle und Asche bergen, auf der die Skelettreste eines Ebers platziert waren“, so Süße. Es handele sich um Knochen der Beine, Hüfte und des Gebisses sowie um den Eckzahn des Tieres. Der nördliche Rand dieser Grube sei außerdem in unregelmäßigen Abständen mit verkohlten, hölzernen Staken versehen gewesen. „Wir deuten sie als Überreste eines Holzeinbaus, der die Grubenwand stabilisieren sollte. Diese Art der Stabilisierung ist uns von einfachen Schöpfbrunnen bekannt“, sagte Süße.
Als die großen Scherben von vier römischen Amphoren ans Licht kamen, holte Sveva Gai ihre Kollegin und LWL-Römer-Expertin Bettina Tremmel dazu. „Solche Transportgefäße wurden in Paderborn bisher noch nicht gefunden. Daher wussten wir die Keramikfunde auch nicht exakt zu datieren,“ sagte Grabungsleiter Süße.
Erstklassiger Falerner aus Mittelitalien
Tremmel ist die Expertin für Römer in Westfalen bei der LWL-Archäologie und widmete sich dort vor allem der Erforschung der römischen Militärstandorte entlang der Lippe. Nach erster Begutachtung der Scherben war für sie klar: „Vergleichsfunde, wie wir sie aus den Römerlagern in Haltern am See oder in Bergkamen-Oberaden kennen, zeigen, dass es sich bei den Funden in Paderborn um die Fragmente von besonderen Transportgefäßen handelt. In ihnen wurde erstklassiger Falerner aus Mittelitalien und aus der Ägäis importiert. Vor mehr als 2.000 Jahren wurde demnach nicht nur in den Römerlagern an der Lippe, sondern auch in Paderborn edler Wein getrunken.“

Dank Form, Farbe, Machart und eines figürlichen Töpferstempels auf einem Amphorenfuß könne die Expertin diese Aussage sicher treffen. „Ein römischer Militärstandort ist für Paderborn nicht belegt, erst im elf Kilometer entfernten Delbrück-Anreppen befand sich ein römisches Legionslager“, so Stadtarchäologin Gai.
Die wenigen römischen Funde, die bisher im Paderborner Stadtgebiet gefunden wurden, seien jünger als die Römerlager in Westfalen. Sie würden von den Fachleuten zumeist als Handels- oder Beutegut in germanischem Kontext gedeutet. Siedlungsreste einheimischer Germanen ließen sich jedoch am St. Johannisstift und in der näheren Umgebung bisher nicht nachweisen.
Eindeutige Zeichen für Nutzung
„Im Gegenteil, der mutmaßliche Brunnen und die Amphorenreste sprechen eindeutig für eine Nutzung durch römische Legionäre – möglicherweise einen Wachtposten,“ so Tremmel. Dafür spreche die zentrale Lage des Fundplatzes auf einer noch heute vier Meter hohen Geländekuppe, die im Norden und Osten durch die Pader und deren Quellen sowie im Westen durch die Rimbeke begrenzt war. „Für die Anlage eines Römerlagers reichte die Fläche der Anhöhe aber nicht aus. Womöglich stand hier deshalb nur ein römischer Wachturm, der auch als kleines Nachschubdepot gedient haben könnte,“ spekuliert Tremmel.
Die Archäologen werden nun die Grabungsergebnisse auswerten und versuchen, diese und weitere Fragen zu klären und so die Bedeutung des Paderborner Raumes während der römischen Besatzungszeit neu zu beleuchten.