Stahldiebstahl bei Benteler in Paderborn: Anonymer Tippgeber setzte Ermittlungen in Gang

Paderborn. Anonyme Anrufe nimmt niemand gern entgegen – es sei denn, es handelt sich um Ermittlungsbehörden. Denn mancher Zeitgenosse mag nur unerkannt Sachverhalte melden, die ihm illegal zu sein scheinen. Das heimische Hauptzollamt kann sogar über einen treuen anonymen Tippgeber berichten, der immer mal wieder Hinweise gibt, wenn auf Baustellen Schwarzarbeiter tätig sind oder anderweitig an der öffentlichen Hand vorbei Geschäfte gemacht werden. Jener Anrufer war es auch, der 2014 fünf Mal bei einem Zollfahnder anrief, auf einen heute 68 Jahre alten Paderborner hinwies, der verdächtige Fahrten mit LKW erledige, und schließlich die Firma Benteler als mögliches Opfer krimineller Geschehnisse ins Spiel brachte. Ob der Tippgeber noch weitere Erkenntnisse hat, bleibt sein Geheimnis. Denn weder mag er den Fahndern seinen Namen nennen, noch möchte er als Zeuge auftreten. Und so muss das Landgericht Paderborn wohl ohne seine Hilfe klären, ob fünf Männer in der Zeit von 2012 bis 2015 Stahl der Firma Benteler entwendet und auf einem Schrottplatz in Holland zu Geld gemacht haben. Möglich soll das gewesen sein, weil zwei Brüder als Angestellte einer Firma, die für den Betrieb die Logistik abwickelte, die Berechtigung hatten, mithilfe der verwendeten EDV Transportscheine zu erzeugen. Laut Anklage beläuft sich der Schaden für Benteler auf mehr als 900.000 Euro. Der öffentlichen Hand sollen mehr als 430.000 Euro entgangen sein, weil die Täter ihre Einnahmen naturgemäß nicht versteuerten. Zollbeamter berichtet von anonymen Anrufen seit 2010 Vorwürfe, zu denen sich das Quintett vor der 8. Großen Strafkammer nicht äußern will. Und so steigen die Richter unter dem Vorsitz von Anne Zacharias in die Beweisaufnahme mit dem Zollbeamten ein, der die Ermittlungen geleitet und seit Jahren Kontakt zu dem anonymen Hinweisgeber hat. Dieser würde schon seit etwa 2010 immer wieder mal telefonisch Geschehnisse melden, die ihm verdächtig erscheinen würden. &bdquo;Einen bunten Strauß an Hinweisen“ habe der Anrufer bereits geliefert, sagt der Zeuge. Dieses Mal ging es um Gerd S. (Name geändert), der verschiedene Leih-Lastkraftwagen häufig am Bahnhof in Sennelager abstelle. Ihm komme das merkwürdig vor, so der Unbekannte. Zwar machten die Fahnder keine Verfehlungen in Sachen Sozialbetrug aus. &bdquo;Aber ein gewerblicher Hintergrund musste ja da sein“, so der Zollbeamte. Schließlich war Gerd S. immer wieder mit geliehenen LKW auf Tour. Tatsächlich gingen die Ermittlungen weiter, auch mithilfe der Steuerfahndung. Eines Tages ergänzte der anonyme Anrufer, er wisse &bdquo;aus sicherer Quelle“, dass es bei den Fahrten um die Firma Benteler gehe. Auch das Stichwort &bdquo;Holland“ ließ er fallen. Verschwundene Stahlmengen fielen im Betrieb nicht auf In dem großen Unternehmen hatte man indes von möglichen Straftaten nichts mitgekommen. Von den Stahldiebstählen habe er erst von den Ermittlern erfahren, erinnert sich der damalige Leiter des Werkes in Schloß Neuhaus und gewährt Einblicke in den Alltag des Betriebes. Rund 210.000 Tonnen Stahl würden dort jährlich verarbeitet, davon verließen dann jeweils etwa 180.000 Tonnen als Röhren das Werk in Richtung Kunden, erklärt er, der Rest falle als Qualitäts- oder Prozessschrott an und werde in das Stahlwerk nach Lingen zurückgebracht. Außerdem gehe ein Anteil, der aber nicht genau beziffert werden könne, im Produktionsprozess selbst, etwa durch Verbrennung, verloren. Bei diesen Dimensionen falle es nicht auf, &bdquo;wenn so eine Menge verschwindet“, sagt der Zeuge und hat dabei wohl die Anklage im Blick. Dort ist von insgesamt rund 4.500 Tonnen Stahl die Rede, die zwischen 2012 und 2015 verschwunden sein sollen. Allerdings habe man nach Aufkommen des Verdachts die internen Abläufe überprüft, so der ehemalige Werksleiter. Bei den Transporten zu diversen Lagern und Werken des Unternehmens sei früher die Ladung nicht gewogen worden. &bdquo;Das war eine offene Flanke“, sagt er. Möglicherweise war und ist in dem Stahl verarbeitenden Großunternehmen aber auch der Umgang mit der EDV ein wenig lax. Durchaus sei es möglich, so der Zeuge auf Nachfrage gleich mehrerer Verteidiger, dass sich Mitarbeiter nach getaner Arbeit nicht ordnungsgemäß abmelden und Kollegen dann diesen Account weiter nutzen würden. Komplexe Vorgänge also, die das Gericht weiter aufklären will. Am Mittwoch, 21. Dezember, wird die Beweisaufnahme mit weiteren Zeugen fortgesetzt.

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