EU-Kommissar in Paderborn: "Ukraine kämpft auch für unsere Art des Lebens"

Paderborn. Nach zwei Jahren Pandemie-Pause hat am Dienstag wieder der Tag des Landvolkes mit der traditionellen Kundgebung in der Libori-Woche im Paderborner Schützenhof stattgefunden. Hohen Besuch hatte die Landvolkshochschule Hardehausen dazu eingeladen. Johannes Hahn, EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung, stellte seine Rede unter die Frage: "Wie geht es weiter mit dir, Europa? Mit dem Krieg ist alles anders." Die Europäische Union müsse ihre Interessen in der Welt vertreten, befand Hahn, um auch in Zukunft ihr Gesellschaftsmodell von Freiheit, Wohlstand und Demokratie zu verteidigen und zu erhalten. Der Österreicher betonte zudem, dass es wichtig sei, die Ukraine "vorbehaltlos" zu unterstützen, so lange wie es notwendig sei. Zunächst stellte Hahn, der bereits seit 2010 in der Europäischen Kommission vertreten ist, in seiner Rede fest, dass früher angesichts der aktuellen Lage die Frage wohl gelautet hätte: "Zerbricht Europa?" Dass man nun stattdessen frage, wie die Krise zu managen sei, sei "ein gravierender Fortschritt". Angesichts der beiden großen Herausforderungen - Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine - sei es heute "wichtiger denn je zu fragen: Wie kann Europa seinen Platz in dieser Welt sicherstellen, behaupten und idealerweise weiterentwickeln". Es sei wichtig, dass "wir unsere Rolle in der Welt definieren und wahrnehmen", betonte Hahn. Am Ende sei jede Partnerschaft temporär und Europa auf sich allein gestellt, das habe schon die Präsidentschaft Donald Trumps gezeigt. "Wenn wir unsere Interessen nicht wahrnehmen, tut es jemand anderes", so Hahn. Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine habe zudem gezeigt, dass es nicht klug sei, sich abhängig zu machen. "Da haben wir in der Politik leider möglicherweise zu lange weggesehen", gestand Hahn ein. Der nächste Winter werde sicherlich eine Herausforderung, aber "unsere Probleme sind schneller gelöst, als Putin neue Gaskunden gefunden hat". Denn die Pipelines seien auf Lieferungen für Europa ausgelegt, gab sich der ÖVP-Politiker zugleich optimistisch. Er forderte in diesem Bereich "Denkfreiheit und Technologieneutralität". Demnach wäre es "fatal, auf den Verbrennungsmotor a priori zu verzichten". "Wirtschaftlich sind eine Weltmacht" Die EU erwirtschafte mit nur fünf Prozent der Weltbevölkerung 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. "Wirtschaftlich sind wir eine Weltmacht", konstatierte Hahn und forderte, dass die EU diese Position der Stärke nutzen müsse, um sie für die Zukunft zu sichern, etwa mit Handelsabkommen, bevor andere Schwellen- und Entwicklungsländer aufgeholt hätten. Doch die EU habe einen entscheidenden Vorteil: die Kombination aus Wohlstand und der Freiheit, sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten zu können, die attraktiv für so viele sei. Das 21. Jahrhundert sei nicht mehr geprägt vom Konflikt Ost gegen West, sondern vom Konflikt unterschiedlicher Gesellschaftssysteme: die freiheitlich-demokratische Ordnung mit einer Marktwirtschaft auf der einen, autokratische Diktaturen mit Turbokapitalismus auf der anderen Seite. Die Mehrheit der Menschen lebe nicht in Freiheit, Wohlstand und Demokratien, deshalb sei es so wichtig, sich hier zu engagieren und diese Werte auch für die Zukunft zu verteidigen. "Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Ukraine auch für uns kämpft, für unsere Art des Lebens", sagte Hahn. Das sei nicht nur ein Krieg Putins in der Ukraine, sondern ein Krieg unterschiedlicher Gesellschaftsmodelle. "In dieser Zeit, in der wir täglich geradezu mit einer Überdosis Weltgeschichte konfrontiert sind, ist Europa unser bestes Zukunftsversprechen", schlussfolgerte Hahn. Auch wenn das Leitmotiv des Liborifestes in diesem Jahr "aufatmen" heißt, "so leben wir doch weiter in schwierigen und gefährlichen Zeiten", führte im Anschluss der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker aus. Der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, wie "verletzlich dieser Friede auch bei uns ist und eigentlich auch immer war". Wirklicher Friede erwachse aus einem guten Miteinander der Völker, Religionen und Gemeinschaften, so der Erzbischof.

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