Gesetzeslücke: Jobantritt bringt Paderborner Hartz-IV-Empfänger in Geldnöte

Paderborn. Diese Nachricht hat für große Empörung gesorgt: Hartz-IV-Empfänger sollten das durch das Neun-Euro-Ticket gesparte Geld zurückzahlen, wenn sie beispielsweise vom Jobcenter Schülermonatskarten bezahlt bekommen. Über diese Empörungswelle kann Jürgen F. (Name geändert) nur müde lächeln. Der Paderborner berichtet im Gespräch mit der NW von einem Problem, das viele Hartz-IV-Empfänger hätten. Worum geht es? Seit Jürgen F. vor einigen Jahren seinen Job bei einem großen Paderborner Unternehmen verlor, ist er auf Arbeitslosengeld angewiesen. Immer wieder hat er sich um Arbeit beworben. Im Frühjahr sollte er eine neue Stelle antreten - ein Aushilfsjob, befristet auf einige Wochen. Zum 1. März sollte es losgehen. Fristgemäß schickte Jürgen F. den Arbeitsvertrag ans Jobcenter. Das stellte daraufhin die Zahlung zum März hin ein, vollkommen rechtmäßig - der Mann verdiente jetzt ja eigenes Geld. Was in der Theorie sinnvoll klingt, offenbart in der Praxis allerdings eine Schwierigkeit: Das Jobcenter zahlt das Arbeitslosengeld II in der Regel zum Monatsanfang. Die letzte Zahlung erhielt Jürgen F. also Anfang Februar. Das Gehalt für seine neue Arbeit jedoch bekam der 61-Jährige - wie es üblich ist - erst Ende März. Miete, Strom, Gas, Internetvertrag: All diese Fixkosten sind in der Regel am Monatsanfang zu begleichen. Doch von welchem Geld? "Nach Jahren in der Arbeitslosigkeit sind alle Rücklagen aufgebraucht", sagt Jürgen F. Und vom Hartz-IV-Satz lasse sich nicht wirklich Geld zurücklegen. Dilemma ist dem Jobcenter bekannt Helmut Vonnahme, Leiter des Bereichs Leistungsgewährung beim Jobcenter Kreis Paderborn, kennt das Dilemma. Sozialleistungen würden zum Anfang des Monats ausgezahlt, denn dann brauchen die Menschen das Geld. Alle für den Monat zu erwartenden Einkünfte sind anzurechnen; wenn also zum Monatsende Gehalt gezahlt wird, sei es im Gesetz vorgeschrieben, dieses schon bei der Auszahlung des ALG II am Monatsanfang berücksichtigen. Die Beschäftigten im Jobcenter seien bemüht, jedem gerecht zu werden und eine Lösung zu finden. So sei es möglich, ein Darlehen zu bekommen, um die notwendigen Kosten zu begleichen. Das muss allerdings zurückgezahlt werden, weshalb das oftmals nicht in Anspruch genommen werde. Denn oft seien diese Menschen bereits verschuldet, so dass zusätzlich Inkasso-Unternehmen, die mitbekommen, dass Geld verdient wird, dann sehr schnell offene Forderungen vollstrecken - ein Teufelskreis. Den Arbeitsvertrag erst später einzureichen und die eigenen Einkünfte vorerst zu verheimlichen, ist ebenfalls keine Lösung. In einem solchen Fall droht sogar ein Bußgeld. Die Mitarbeiter des Jobcenter würden versuchen zu helfen, versichert Vonnahme, doch sie müssten sich an Gesetze und Weisungen der Träger der Grundsicherung halten. Es läge am Gesetzgeber, hier nachzubessern. "Da wird Leben zur Kunst" Am Ende sind Menschen wie Jürgen F. auf den guten Willen anderer angewiesen: Den Chef, der den Lohn vielleicht doch schon zur Monatsmitte auszahlt; den Vermieter, der mit sich reden und die Miete in kleinen Raten zahlen lässt; den Stromversorger, der nicht gleich eine Mahnung schickt. "Da wird Leben zur Kunst", sagt Jürgen F. Wenn man längerfristig Arbeit habe, dann renke sich das mit der Zeit wieder ein, weil dann eher mal Geld am Ende des Monats übrig sei, um die aufgeschobenen Kosten abzuzahlen. Doch bei einem befristeten Job, wie es bei ihm der Fall war, bedeute die Regelung große Probleme. "Jeder, der nach so einer Durststrecke wieder anfängt zu arbeiten, hat diese Schwierigkeiten." Und das motiviert nicht gerade, weiß auch Jobcenter-Bereichsleiter Helmut Vonnahme. "Das machen die Menschen drei, vier Mal und dann fragen sie sich: Wozu eigentlich?" Dabei sei ja ein Ziel, Menschen in Arbeit zu bringen. Daher wäre es "die Aufgabe von Politik, diese Reglung nachzubessern."

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