Nach Schützenfest vergewaltigt? Freispruch wird angefochten

Paderborn. Dass sich die Richter des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe mit Urteilen beschäftigen, die im Paderborner Landgericht gesprochen werden, ist keine Seltenheit. Schließlich steht sowohl den Vertretern der Staatsanwaltschaft wie auch den Verteidigern das Recht zu, Entscheidungen auf ihre Richtigkeit überprüfen zu lassen. Ab und an müssen Fälle teilweise oder ganz neu verhandelt werden, weil die Karlsruher Richter Fehler in den Urteilen ausgemacht haben, die im Widerspruch zur Rechtsprechung stehen. Dass aber Nebenkläger, also Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind, erfolgreich ihre Bedenken gegen ein gefälltes Urteil anmelden und eine Neuverhandlung erreichen, ist äußerst selten. Einer Paderbornerin, die vor mittlerweile drei Jahren eine Vergewaltigung anzeigte, ist das jetzt zusammen mit ihrem Anwalt Jann Henrik Popkes gelungen. Im September vergangenen Jahres hatte die 8. Große Strafkammer Robin H. (alle Namen geändert) vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen (die NW berichtete). Sie hatte dem Berufsoffizier der Bundeswehr geglaubt, dass es zwischen ihm und Karla M. einvernehmlich zu Sex gekommen sei, nachdem sich die jungen Leute einige Stunden zuvor auf einem Schützenfest in einem Paderborner Stadtteil kennengelernt hatten. Zwar erkannten die Richter an, dass die junge Frau &bdquo;eine schwer traumatisierte Geschädigte sei, der Unrecht geschehen sein muss“, mochten aber trotzdem zu keinem Schuldspruch kommen. Sie verwiesen auf Widersprüche und sprachen von &bdquo;Restzweifeln“, die eine Verurteilung unmöglich machen würden. Er halte den Freispruch für falsch, sagte Jann Henrik Popkes und kündigte noch im Gerichtssaal an, die Entscheidung dem BGH vorlegen zu wollen. Beweiswürdigung der Paderborner Richter sei "karg" Jetzt hoben die Karlsruher Richter nach einer mündlichen Verhandlung, in der der Verteidiger von Robin H., ein Vertreter der Generalstaatsanwalt sowie der Nebenklagevertreter ihre Argumente austauschten, das Urteil in Gänze auf. Der 4. Senat habe die Beweiswürdigung der Paderborner Richter als &bdquo;karg“ bezeichnet und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Begründung nicht frei von Rechtsfehlern sei, berichtet Rechtsanwalt Popkes auf Anfrage dieser Zeitung. Die Karlsruher Richter halten es demnach für möglich, dass Indizien für die Darstellung des mutmaßlichen Opfers Karla M. sprechen könnten. Popkes verweist in diesem Zusammenhang vor allem auf die schwere Traumatisierung seiner Mandantin. Nach Ansicht des 4. Senates muss somit der Fall noch einmal komplett neu verhandelt werden – vor einer anderen Kammer es Landgerichts Paderborn. Ob das noch in diesem Jahr passiert, ist zurzeit ungewiss. Eine erneute Verhandlung nach einer erfolgreichen Revision der Nebenklage musste am Landgericht Paderborn zuletzt 2016 durchgeführt werden. Damals hatten die Eltern des jungen Gesekers, der 2014 von seinem besten Freund getötet worden war, dem Bundesgerichtshof das Urteil zur Überprüfung vorgelegt. Sie hielten die Entscheidung der 5. Großen Strafkammer, dass der damals 19 Jahre alte Angeklagte wegen versuchten Mordes und vollendeten Totschlags zu achteinhalb Jahren zu verurteilen sei, für falsch und strebten einen Schuldspruch wegen Mordes mit entsprechendem Strafmaß an. Dem folgten die Karlsruher Richter, doch aus dem Erfolg erwuchs für die Eltern des getöteten 17-Jährigen keine Genugtuung. Denn die 1. Große Strafkammer des Paderborner Landgerichts kam nach mehrtägiger Verhandlung zu dem Schluss, dass der Angeklagte lediglich wegen Totschlags zu sieben Jahren und neun Monaten Haft zu verurteilen sei.

Meistgelesen