Unternehmen im Kreis Paderborn in Sorge vor möglichem Gas-Stopp

Kreis Paderborn. Was mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bereits befürchtet wurde, droht nun Wirklichkeit zu werden: Russland hat seine Gaslieferungen an Deutschland gedrosselt. Die Politik reagiert: Wirtschaftsminister Robert Habeck arbeitet an Maßnahmen mit dem Ziel, den Gasverbrauch zu senken. Wie reagieren Unternehmen im Kreis Paderborn auf die Verknappung des Rohstoffs und was würde es bedeuten, wenn tatsächlich kein Gas mehr aus Russland in Deutschland ankäme? Ein Unternehmen, das besonders auf Erdgas angewiesen ist, ist Benteler. Das Unternehmen mit weltweit 92 Standorten, darunter auch in Paderborn, ist ein sogenannter energieintensiver Erdgasabnehmer. Benötigt wird das Gas nach eigenen Angaben vor allem in den Lackierstraßen sowie bei der Wärmebehandlung, also dem Erhitzen und Formen von Stahl. "Ungefähr 40 Prozent unserer Produkte könnten ohne Gas hergestellt werden, 60 Prozent nicht", sagt ein Pressesprecher der Benteler-Gruppe. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig das Gas für die Produktion von Benteler ist. "Entsprechend beobachten wir die aktuelle politische Situation sehr genau", so der Sprecher. Man sei in engem Austausch mit Kunden, Partnern sowie lokalen Netzbetreibern und Behörden wie der Bundesnetzagentur. Auch gebe es entsprechende Notfallpläne. Klar sei aber auch: Ein Erdgasstopp hätte massive Auswirkungen. "Wenn es zu einem längerfristigen Gasmangel käme, könnten auch wir die Produktion hierzulande nicht aufrechterhalten", wird der Sprecher deutlich. Sollte es tatsächlich zum Äußersten kommen, könnte das auch den Bad-Spezialisten Bette schwer treffen. Das Familienunternehmen aus Delbrück fertigt Waschtische, Dusch- und Badewannen und verarbeitet dafür unter anderem Titan-Stahl, für dessen Herstellung große Gasmengen benötigt werden. In der Pandemie profitierte das Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern von der deutschlandweiten Renovierungswelle und erzielte neue Umsatzrekorde. Jetzt blickt Geschäftsführer Thilo Pahl mit Sorgen auf die Zukunft. Problem "nicht bis zum nächsten Winter zu lösen" Sollte das russische Gas tatsächlich ausbleiben, müsste das übrige Gas, das Deutschland aus anderen Quellen bezieht, rationiert werden. Private Verbraucher und Industriezweige wie die Lebensmittel- und Chemieindustrie, die beispielsweise wichtige Produkte für Arzneimittel liefern, würden priorisiert. Badewannen würden da wohl nicht an erster Stelle stehen, befürchtet Pahl Einschränkungen der Produktion. Der Anreiz, Gas zu sparen, wo es nur geht, sei aufgrund der hohen Preise bereits jetzt gegeben. Vollständig aufs Gas zu verzichten, sei schwierig und ein Transformationsprozess, der dauert: "Das ist nicht von heute auf morgen zu lösen, und auch nicht bis zum nächsten Winter", sagt Pahl. Das wird bei Benteler ähnlich gesehen: Zwar arbeite man schon heute daran, Prozesswärme, für die Erdgas benötigt werde, durch Elektrizität oder andere technische Lösungen zu ersetzen, auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. Aber das sei alles "nur mittelfristig realistisch". Auswirkungen auf gesamte Wertschöpfungskette In der Kurzfristigkeit sieht auch Jürgen Behlke das größte Problem. "Die Umstellung von Gas auf andere Energieträger ist zurzeit in vielen Unternehmen ein Thema", sagt der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen in Paderborn. Doch so schnell, wie es nötig wäre, gehe das nicht. Große Sorgen mache ihm die aktuelle Lage. Zwar gebe es im Kreis Paderborn weniger Unternehmen der Gas intensiven Industrie - etwa chemische Industrie und die Metallerzeugung und -bearbeitung - als in anderen Regionen. Doch viele Unternehmen seien indirekt als Abnehmer dieser Produkte betroffen. Sollten die russischen Gaslieferungen eingestellt werden, befürchtet auch Behlke deshalb auch für heimische Firmen Einschränkungen. "Die Unternehmen sind Teil einer Wertschöpfungskette und was es bedeutet, wenn die unterbrochen wird, hat uns die Pandemie gezeigt." Da werden auf einmal die Mietwagen im Urlaub teurer, weil für die Produktion von Neuwagen ein Chip fehlt. Allein die Verknappung von Gas habe bereits negative Auswirkungen, weil der Preis massiv angestiegen ist. "Es geht ja hier nicht nur darum, sich im Winter in der Wohnung mal einen Pullover überzuziehen", sagt Behlke. Eine Energiekrise, sollte sie so eintreffen wie in den schlimmsten Szenarien befürchtet, hätte massive Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. Es würde der Verlust von Arbeitsplätzen drohen und der gesellschaftliche Wohlstand wäre gefährdet.

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