"Die Leute schreien immer": Gehörlose berichten von Problemen im Alltag

Paderborn. Im Gegensatz zu anderen Behinderungen ist eine Hörschädigung nicht sichtbar. Während manche hörgeschädigte Personen nur schlecht hören können, sind andere komplett gehörlos. Beides bringt Probleme im Alltag mit sich, oft, weil Hörende keine Rücksicht nehmen. Hörgeschädigte Paderborner räumen mit einigen Vorurteilen auf und berichten, an welchen Stellen im Alltag es hakt. Gehörlose können nicht sprechen und wenn sie sich unterhalten ist es deswegen ganz still? Nein, beides stimmt nicht. Abgesehen davon, dass Gebärdensprache auch eine Sprache ist, nutzen Gehörlose ihre Stimme. Sie können allerdings nicht überprüfen, wie laut sie sind oder wie hoch ihre Stimme ist, erklären die Frauen im Frauencafé der Beratungsstelle des Vereins für Hörgeschädigtenhilfe Paderborn. Einige von ihnen haben trotzdem sprechen gelernt. Bemühungen von Hörenden und Gehörlosen Früher war es zum Beispiel in der Schule streng verboten zu gebärden, erzählen die Frauen. Gehörlosen Kindern wurde deswegen viel Druck gemacht, sprechen zu lernen. Die Frauen sind sich einig, dass es Vorteile hat, sprechen zu können, und man selbstständiger wird.Man sollte es aber nicht unter Zwang lernen müssen. Gleichzeitig wissen sie auch, dass nur sehr wenige hörende Menschen Gebärdensprache sprechen. Sie wünschen sich, dass die Bemühungen von beiden Seiten ausgeht. Gehörlose stoßen im Alltag auf viele Probleme, manche scheinbar kleiner, manche größer. Alfreda Lewandowski erzählt von einem Polizeieinsatz. Damals war der Tank ihres Autos leer und sie hatte es nicht bemerkt. Eine Nachbarin habe deswegen die Polizei gerufen. Als die angekommen ist, habe Lewandowski niemand erklärt, was überhaupt los ist. Erst als die Rechnung gekommen ist, habe sie eine Chance gehabt, zu verstehen, was passiert ist. "Die Leute schreien einen immer an" So wie ihr fallen auch den anderen Frauen dutzende Geschichten ein. Erika Brokmeier erzählt von Bahnhöfen, an denen es bei Verspätungen nur Durchsagen und keine Anzeigen gibt. Magdalena Krause, dass man nicht schnell einen Handwerker anrufen kann, wenn zuhause etwas kaputt ist. Brigitte Blanke von Arztbesuchen, bei denen sie ihre Tochter teilweise seit der Pandemie nicht mehr als Übersetzerin mitnehmen darf.Ohnehin macht die Pandemie einiges schwieriger für Gehörlose, weiß Irmgard Kleinemeier: "Wegen der Masken können wir die Menschen schlechter verstehen. Wir müssen den Mund sehen können." Solche Probleme haben nicht nur Gehörlose, sondern auch Schwerhörige, sagt Helmut Wiesner, Vorsitzender des Vereins für Hörgeschädigtenhilfe. Das fängt schon dabei an, dass viele Leute denken, man müsse lauter mit Schwerhörigen reden, sagt er. "Die Leute schreien einen immer an, aber es wäre besser, langsam und deutlich zu sprechen." Teure Anlagen werden nicht bezahlt Mikrofonanlagen, die mit einem Hörgerät verbunden werden können, seien zwar eine große Hilfe, aber auch sehr teuer. Vor allem Rentner können sich die um die 2.000 Euro teuren Anlagen oft nicht leisten, Anträge würden zu 90 Prozent abgelehnt, sagt Wiesner. Und in vielen öffentlichen Einrichtungen gäbe es solche Anlagen nicht oder sie seien sehr versteckt. Daniel Aplas ist, als er zwei Jahre alt war, ertaubt. Wegen einer Hirnhautentzündung waren seine Sinneshärchen im Ohr abgestorben. Trotzdem kann er hören. Er hat ein Cochlea-Implantat, damit hört er allerdings immer noch deutlich schlechter, als jemand, der keine Hörschädigung hat. Der Spruch "Das war nicht so wichtig" nervt "Jemand, der schon einmal 'normal' gehört hat, würde wohl sagen, dass die Geräusche blechern klingen", sagt Aplas. Dass er mit seinem Implantat gut klarkommt, ist nicht selbstverständlich. Er ist das Gerät gewöhnt, weil er damit großgeworden ist. Damit alles gut funktioniert, muss man sich aber viel mit dem Gerät auseinandersetzen und vor allem trainieren. "Das ist ein lebenslanges Lernen."Auch Daniel Aplas kennt die vielen Probleme im Alltag, die eine Hörschädigung mit sich bringt. Für ihn ist das grundsätzliche Problem einfach erklärt: "Die Hörbehinderung ist unsichtbar und nicht so auffällig wie zum Beispiel ein Rollstuhl." Bei Diskussionen um Barrierefreiheit werde das Thema deswegen oft nicht mitgedacht. Dabei würde er sich schon freuen, wenn die Leute mehr Rücksicht nehmen. "Wenn man etwas nicht verstanden hat, bekommt man oft zu hören, dass es nicht so wichtig war. Dabei würden wir gerne selber entscheiden, ob das für uns wichtig ist oder nicht", nennt Aplas ein Beispiel.

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