Kolumne

Erwin Grosches Gedanken: Die wilden Rentner

Der Kabarettist, Autor und Kleinkünstler Erwin Grosche schreibt in seiner Kolumne über das Leben in Paderborn - Skurriles, Witziges, Herzliches und auch Nachdenkliches.

Macht sich Gedanken: Erwin Grosche. | © Harald Morsch

19.03.2022 | 19.03.2022, 15:00

Wer erinnert sich noch an die Seniorennachmittage im Bayernzelt, wo die Alten zu Blasmusik schunkelten und so das Liborifest feierten? Heute rocken sie zu Heavymetal-Musik und am Zelteingang stehen Ordner, die sie nach bewusstseinserweiternden Substanzen abtasten.

Die Zeiten, wo Rentner beim Tanztee im Westphalenhof dem Alleinunterhalter an seiner Hammondorgel 20 Cent zusteckten und dabei Torten aßen, sind vorbei.

Erst gestern wurde ich von einer Rentnergang von der Husenerstraße gedrängt, die „Born to be wild“ gröhlend auf ihrem E-Scooter in die City rollten. Muss man sich alles gefallen lassen? Rentner sind laut und unbequem geworden und verändern das Image unserer Stadt.

Sie spucken grundlos auf den Boden und zeigen einem schon bei geringen Anlässen den Stinkefinger.Inzwischen ist es sogar so weit gekommen, dass man die Straßenseite wechseln muss, wenn sie einem mit ihrem Schlabber-Look begegnen.

"Wie nennt man Menschen, die auch montags gute Laune haben? Rentner"

Wo waren die Paderborner Ordnungshüter, als erste Anzeichen auf die neue Bewegung aufmerksam machte? In Bielefeld hat die Rocker-Gruppierung Hells Angels ihren Sitz, im Kreis Lippe sind es die Freeway Riders. Nur in Paderborn machen sich andere Unruhestifter breit: Die Rentner.

Als hätten sie nur darauf gewartet, dass Ordnungsamtsleiter Udo Olschewski sich aus dem Berufsleben verabschiedet, lümmeln sie sich im Paderquellgebiet herum, urinieren selbstbewusst in die Hauseingänge und stören Poetry Slam Abende durch unpassende Zwischenrufe.

„Wie nennt man Menschen, die auch montags gute Laune haben? Rentner.“ Man sieht sie manchmal, wenn sie mit einem Gleitflieger den Dom umkreisen oder laut lachend mit ihren Fallschirmen auf dem Westfriedhof landen. Man entdeckt sie in Discos, in Studiensälen und in Szene-Bars, die eigentlich für junge Leute eingerichtet wurden.

Braungebrannte Senioren, muskulöse Überflieger, rassige Greisinnen und unbequeme Alte nehmen nicht nur am öffentlichen Leben teil, sie reißen es an sich. Ist Anstand ein Fremdwort geworden?

Rentner sind topfit und haben Geld wie Heu

Rentner sind topfit, stählern sich beim Golf- oder Boule-Spielen, haben Geld wie Heu und wissen genau was sie wollen.

Wer musste nicht schon eine rüstige Rentnerin auf die andere Straßenseite führen, die einem dann kokett ihre Telefonnummer zusteckte? Wer lernte nicht das rücksichtslose Verhalten tätowierter Greise kennen, die einen an der Fleischtheke aus der Schlange schubsten?

Mir liegt ein Dokument vor, dass alte Menschen planen den neuen Bahnhof mit obszönen Graffitis zu beschmieren. Müssen wir uns das gefallen lassen? In manchen Stadtteilen wurden schon No-go-Areas eingerichtet, weil hier schwadronierende Rentnergangs ihr Unwesen treiben.

Zieht sich denn der alte Mensch nicht mehr freiwillig zurück und überlässt müde und weise geworden das Rumtreiben in den Innenstädten der Jugend?

Ein Rentner bekam beim Augenarzt eine neue Brille.„Damit werden Sie Ihre Mitmenschen wieder richtig sehen können!“ Nach drei Tagen brachte er die Brille zurück. „Es lohnt sich nicht ...“