Große Kluft zwischen Ausbildungsstellen und Bewerbern

Paderborn. Mit seinen 24 Jahren ist Justin Sanoiski nicht der typische Auszubildende. Der Neuhäuser ist jedoch ein Beispiel dafür, wie jemand auch mit etwas Verzögerung zum Facharbeiter wird - was angesichts des wachsenden Fachkräftemangels bedeutend ist.Aus diesem Grund machen sich in Paderborn die Gewerkschaft IG Metall, der DGB, der Arbeitgeberverband und die Agentur für Arbeit gemeinsam stark für das Projekt "Best of the Rest" und die Stärkung des Technologiestandorts Paderborn. Im Angebot haben sie gut 30 offene Ausbildungsstellen in 15 Berufen für August und September in den tarifgebundenen Unternehmen Benteler Automotive und Steel Tube, Diebold Nixdorf, HDO, Spier und Hegla. "Ich wusste nach der Schule nicht so richtig, was ich machen sollte", sagt Sanoiski. Klar war nur, dass er nicht studieren wollte. So jobbte er nach der Zeit am Berufskolleg Schloß Neuhaus erst einmal. Zuletzt bei einer Leihfirma, für die er bei Diebold Nixdorf tätig war, vor allem als Helfer in der Geldautomaten-Montage.Irgendwann wurde ihm klar, dass er hier auch eine Ausbildung machen könnte. Seit September lernt er nun den Beruf des Industriemechanikers. Seine Entscheidung sieht er als Investition in die Zukunft. "Jetzt weiß ich, um was es geht", sagt er. "In zehn Jahren sind 25 Prozent der Fachkräfte in Rente" Ohne Menschen wie Justin Sanoiski wäre die Lücke bei den Auszubildenden noch größer. Denn das Angebot an Lehrstellen und die Bewerberzahl klafft zunehmend auseinander. Mehr als 50 Prozent aller Schulabgänger machen das Abitur oder Fachabitur - eine klare Tendenz Richtung Studium.Hinzu kommen der bereits vorhandene Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung. In zehn Jahren werden 25 Prozent der heutigen Fachkräfte im Hochstift Paderborn, für das die Agentur für Arbeit Paderborn zuständig ist, in Rente gehen, sagt Agenturchef Heinz Thiele. "So viel Nachwuchs gibt es gar nicht." Seit drei Jahren gebe es ein Ungleichgewicht mit mehr Ausbildungsplätzen als Bewerbern. Und der Zuwachs an Stellen werde noch größer. "Jetzt geht es richtig los mit dem Bewerbermangel", betont Thiele. Er erwartet einen Wettbewerb zwischen Unternehmen, Berufskollegs und Hochschulen.Für ihn sei es schon ein Erfolg, wenn durch eine Aktion zehn Auszubildende gewonnen werden. Dabei sei nur eine Minderheit junger Menschen nicht ausbildungsfähig. "Die Mehrheit der Jugendlichen ist wirklich taff", so Thiele. Gleichstellung von Azubis und Studenten bei Wohnen und Tickets "60 Prozent der Langzeitarbeitslosen im Hochstift haben keine Ausbildung", sagt Anke Unger, Regionsgeschäftsführerin DGB OWL. Für Jugendliche, die eine besondere Unterstützung benötigen, gebe es ausbildungsbegleitende Hilfen. "Wir verfolgen alle das selbe Ziel: das Thema Ausbildung in den Fokus rücken", so Unger. In der Pandemie fehlte Jugendlichen die Gelegenheit für Einblicke ins Berufsleben, weil Praktika ausgefallen sind. Vielleicht sei dies kurzfristig in den Osterferien möglich. Unger appelliert an Firmen, sich kreativ zu öffnen - etwa auf Instagram. Doch digitale Informationsangebote allein reichten nicht. Man müsse - anders als Köln oder Berlin - dafür werben, dass Jugendliche hier bleiben. Azubi-Wohnen müsse dem Studentenwohnheim gleichgestellt werden. Auch zwischen Semesterticket und Azubi-Ticket dürfe es keine Unterscheide geben. "Wir wollen die Arbeitskräfte in Paderborn halten" All dies gipfele in der alten Forderung nach einer Ausbildungsabgabe für Betriebe, die nicht ausbilden. Dies gelte insgesamt für vier von fünf Betrieben mit entsprechenden Möglichkeiten. "Wer ausbildet, muss davon auch profitieren", betont Unger. Die für den Zukunftsstandort Paderborn größte Herausforderung: Unternehmen benötigten auch künftig Fachkräfte, sonst ziehe es sie womöglich fort. "Wir wollen die Arbeitskräfte in Paderborn halten", sagt Arbeitgeberverbands-Geschäftsführerin Melanie Cramer. Die Unternehmen müssten wettbewerbsfähig bleiben. Laut einer Blitzumfrage sei die Zahl der Ausbildungsstellen im Wesentlichen konstant, die der Bewerber gehe aber kontinuierlich zurück.Dabei sei das Abitur nicht das einzige Allheilmittel. "Ausbildung ist keine Einbahnstraße", so Cramer. Es gebe tolle und vielfältige Weiterbildungsbildungsmöglichkeiten. Viele mittelständische Unternehmen bauten ihr Führungspersonal aus dem Bestand auf.Zumindest die vorhandenen Stellen sollten besetzt werden Unternehmen müssten jedoch mehr informieren und das Interesse an Ausbildungsberufen wecken, sagt Cramer. So werbe ein Info-Truck der Metall- und Elektroindustrie an Schulen. Ohne Ausbildung könne keine Wirtschaftskraft und kein Wohlstand geschaffen werden.Für Konrad Jablonski, Erster Bevollmächtigter IG Metall Paderborn, gibt es zu viele Vorbehalte gegenüber Ausbildungsberufen - trotz guter Zukunftsperspektiven. Zum allgemeinen gesellschaftlichen Wandel gehöre die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze für gut ausgebildete Mitarbeiter. Ziel der "Best of the Rest"-Aktion sei, dass zumindest die vorhandenen Stellen besetzt werden. Die Firmen würden aber auch über Bedarf ausbilden.Mehr unter paderborn.igmetall.de.

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