Bewaffneter Drogenhandel: Junger Dealer bekommt zweite Chance vor Gericht

Paderborn. Es ist ein fataler Teufelskreis, in dem sich Tim U. (Name geändert) befindet. Der 21-Jährige hat das, was man eine "kurze Lunte“ nennt. Deshalb fühlt er oft einen starken inneren Druck, wenn er unter Stress steht oder mit Frustrationen klarkommen muss.Es waren Misshandlungen durch den Vater, Missachtung seitens der Mutter und eine jahrelange Odyssee durch Kinderheime und Jugendpsychiatrien, die die Entwicklung seiner Persönlichkeit ungünstig beeinflussten. Schon lange versucht Tim U., gegen die innere Spannung, gegen seine Impulsivität anzugehen, indem er Marihuana raucht. Letztlich hat ihn das jetzt auf die Anklagebank des Landgerichts Paderborn gebracht. Wie berichtet, geriet der 23-Jährige in den Fokus der Drogenfahnder, wenige Monate nachdem er nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie seine Anstellung in einem großen Paderborner Unternehmen verloren hatte. Denn das bedeutete für ihn und seine schwangere Lebensgefährtin finanzielle Nöte. Statt Arbeitslosengeld zu beantragen, verlegte sich Tim U. auf den Handel mit Marihuana - auch um seinen eigenen Konsum sichern zu können. Zwei Mal verkaufte er zudem berauschende Tabletten an zwei junge Frauen. Weil nach wenigen Monaten seine Geschäfte, die er auch in seinem Zuhause im Süden Paderborns abwickelte, auffielen, stand im August die Polizei vor der Tür.Gaspistole im Schubfach des Wohnzimmertisches Bei der Durchsuchung entdeckten die Fahnder nicht nur fast 300 Gramm Marihuana und über 3.000 Euro in bar, sondern vor allem eine Gaspistole in dem Schubfach des Wohnzimmertisches. Fatal, denn so stand der Vorwurf des bewaffneten Drogenhandels im Raum. Für Tim U., der schon eine Jugendstrafe wegen Raubes hatte absitzen müssen, bedeutete das eine neuerliche Zeit im Gefängnis. Aber möglicherweise auch die Chance eines Neuanfangs. Denn der 23-Jährige suchte nach seiner Entlassung erfolgreich einen neuen Arbeitsplatz und zog fort aus Paderborn.Marihuana rauche er jetzt immer noch, gibt Tim U. vor Gericht zu, aber nur noch wenn er Stress habe. "Der Konsum hat bei ihm eine regulierende Funktion“, erklärt Gutachter Malik Mbamba. Eine Therapie sei unabdingbar. Nur so könne Tim U., der mit etlichen psychischen Belastungen zu kämpfen hat, stabilisiert werden."Er darf nicht ohne Begleitung durchs Leben gehen" Der 23-Jährige habe gute Karten, seine Probleme in den Griff zu bekommen. "Er darf aber nicht ohne Begleitung durchs Leben gehen.“ Deshalb riet er von einer reinen Gefängnisstrafe ab. Der Entzug der Freiheit würde "nicht viel bringen“. Ganz im Gegenteil würden sich negative Faktoren in der Persönlichkeit Tim U.s verstärken, so der Experte.Eine Einschätzung, mit der die Richter eine gute Stunde ringen. Doch letztlich verhängen sie eine 30-monatige Freiheitsstrafe. "Es war uns wichtig, eine Strafe zu finden, die angemessen und nicht zu gering ist“, erklärt die Vorsitzende Richterin. Sie verweist vor allem auf den Umstand, dass Tim U. seinen Marihuanavorrat und seine Einnahmen zusammen mit einer Gaspistole aufbewahrt hatte. Allein das Wissen, dass diese in greifbarer Nähe sei, erfülle den Tatbestand des bewaffneten Drogenhandels. Ein Verbrechen, für das das Gesetz immerhin eine Mindeststrafe von fünf Jahren Gefängnis vorsieht. Dass die 8. Große Strafkammer letztlich aber weit unter diesem Strafmaß bleibt, verdankt Tim U. auch seinem Verhalten.Hintermänner im Verfahren benannt Schließlich hat er nach seiner Festnahme nicht nur ein Geständnis ablegt, sondern vor allem seine Hintermänner benannt, sodass weitere Verfahren in die Wege geleitet werden konnten. Dass ein Drogenkonsument so offen über seine Lieferanten spreche, komme nicht so oft vor, sagt sein Verteidiger Franz Zacharias.Deshalb soll der 23-Jährige die Chance erhalten, mithilfe einer raschen Therapie auf den richtigen Weg zu kommen. Die Richter empfehlen Tim U., sich um einen Therapieplatz zu kümmern und die Möglichkeit "Therapie statt Strafe“ zu nutzen, die der Gesetzgeber für Straftäter vorsieht, die mit dem Betäubungsmittelgesetz in Konflikt geraten.Gelingt dem 23-Jährigen das, muss er vorab nur noch drei Monate im Gefängnis verbringen. Denn drei Monate hat er schon in Untersuchungshaft verbracht. Für seine Behandlung hält Gutachter Mbamba zwei Jahre für notwendig.

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