Unsicherheit beim Boostern: Ärzte impfen unterschiedlich schnell

Paderborn. In der Corona-Pandemie ist nichts von Dauer. So hat am Dienstag die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Empfehlung für die Auffrischimpfungen wegen der Omikron-Variante des Coronavirus angepasst. Es soll sie jetzt bereits nach mindestens drei Monaten geben. Wäre dies ein paar Tage eher passiert, dann hätte sich folgender Fall gar nicht erst ereignet. Der Termin war im Internet vereinbart. Nur noch wenige Minuten, dann hätte es die Booster-Impfung geben sollen. Voller Vorfreude wartete Werner Sindermann aus Sennelager in der Stadthalle Delbrück, in der seit drei Wochen neben dem schon länger offenen Corona-Testzentrum auch eine Impfpraxis betrieben wird.Doch dann dies: Im Gespräch mit einer vor Ort zuständigen Ärztin wurde dem 48-Jährigen gesagt, dass er nicht geboostert werde. Schließlich liege seine zweite Impfung erst vier Monate und ein paar Tage zurück. Und laut Stiko gebe es - aus heutiger Sicht gab es - die Empfehlung, erst nach fünf Monaten die Booster-Impfung zu geben. Sindermann versuchte sein Anliegen zu begründen: Dass es laut eines Erlasses des Landes NRW bereits auch nach vier Monaten möglich sei, die Booster-Impfung zu bekommen. Dass seine Frau in der Pflege arbeite und er zu Weihnachten seine Mutter besuchen möchte, weshalb er den größtmöglichen Impfschutz haben wolle. Vorgaben sorgen für Unsicherheit "Ich war stinksauer, trotz guter Argumente unverrichteter Dinge wieder davon fahren zu müssen", sagt Sindermann. Genauso wie die Frau hinter ihm in der Reihe. Als er im Nachgang noch einmal mit dem Betreiber des Impfzentrums sprechen wollte, gelangte er lediglich bis zu einer Hotline. Sandro Heinemann, einer der Betreiber der gewerblichen Impfpraxis sowie des Testzentrums in Delbrück, bestätigte auf NW.de-Anfrage das Vorgehen. Der Stand, ab wann jemand die Boosterimpfung bekomme, sei "gefühlt jede Woche ein anderer", sagte er vor Bekanntwerden der neuen Stiko-Empfehlung. "Grundsätzlich ist es so, dass unsere Ärzte die Entscheidung fällen." Dabei werde sich auf die Stiko-Empfehlung bezogen, mit der damaligen Booster-Impfung nach fünf Monaten. Laut Heinemann werden in Delbrück täglich zwischen 100 und 400 Personen geimpft, die Zahlen schwankten stark. Ein Problem: Nur etwa die Hälfte der Leute mit einem Termin komme am Ende auch. "Das ist eine Entscheidung aus dem Bauch" Das mit den Impffristen gehe sehr hin und her, sagt Ulrich Polenz, Leiter der Bezirksstelle Paderborn der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Viele Experten seien sich einig, sechs Monate zu warten, um einen hohen Impfschutz zu erzielen. "Ich erreiche aber auch nach vier oder fünf Monaten etwas, nur wie viel das kann noch keiner sagen", betont Polenz. Schließlich sei die individuelle Immunreaktion unterschiedlich. Bei Omikron sei es geradezu ein Abwägen: Eher impfen, um der neuen Variante schnellstmöglich zu begegnen. Oder warten und dem Immunsystem mehr Zeit lassen, um die Abwehr aufzubauen. "Ich verstehe die Leute, die sehr früh geboostert werden wollen", sagt Polenz. Er selbst riet den Patienten in seiner Praxis in Wewer bisher, fünf Monate zu warten, betont aber: "Das ist eine Entscheidung aus dem Bauch. Da bin ich noch auf der Suche nach der richtigen Antwort wie alle anderen auch." "Schon heute wird im Überstundenmodus geimpft" "Wenn die Stiko mit ihrem Gewicht jetzt die Empfehlung gibt, nach drei Monaten zu impfen, dann passe ich mein Handeln an", sagte Polenz. "Ich bin aber jetzt schon traurig darüber, dass ich so schnelle Termine nicht in dem gewünschten Maße werde vergeben können." Wenn jemand seinen Wunschtermin nicht bekomme, solle er aber nicht enttäuscht sein, könne er sich vielleicht damit trösten, dass er mit einer höheren Immunantwort belohnt wird, so Polenz."Den Menschen muss bewusst sein, dass wir die Termine erst vergeben können, wenn wir die Zusage für den Impfstoff haben", sagt Polenz. "Zudem wird es schwierig, zusätzliche Termine in den Praxen anzubieten, weil schon heute vorwiegend im Überstundenmodus geimpft wird." "Nach zwei Monaten und 29 Tagen gibt es das auch bei uns nicht" Stefan Vogel ist Kreisgeschäftsführer beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Paderborn, der zusammen mit dem Kreis Paderborn die Impfstelle in Salzkotten betreibt. Nach der jüngsten Stiko-Empfehlung erwarte er einen Anstieg von Menschen, die bisher noch nicht dran waren, sich jetzt aber boostern lassen können. Die Anzahl der Impftermine zwischen den Feiertagen sei bereits kurzerhand aufgestockt worden."Wir warten jetzt auf den Erlass, wenn der da ist, werden wir das umsetzen", sagte Vogel. Da beim Kreis nach der Erlasslage des Landes gearbeitet werde, wurde bis jetzt nach vier Monaten geboostert - und demnächst also nach drei. "Aber nach zwei Monaten und 29 Tagen gibt es das auch bei uns nicht." In solchen Fällen würden auch hier Impfwillige weggeschickt.Ansonsten appelliert Vogel an die Impfbereitschaft. "Wir sehen zu, alles zu boostern, was nicht bei drei auf dem Baum ist." Momentan habe man auch noch keinen Engpass bei den Impfstoffen. "Bis Mitte Januar sollten wir damit gut klar kommen. Was dann ist, das werden wir sehen", sagt Vogel. Da die neue Omikron-Variante jedoch bei Geimpften wie auch Geboosterten durchschlagen könne, plädiert er zusätzlich fürs Einhalten der bekannten AHA-Regeln. Nach nicht einmal einer halben Stunde am Ziel Kurz nach der Enttäuschung in Delbrück hat Werner Sindermann seine Boosterimpfung übrigens erhalten, bei einer Impfaktion des Kreises Paderborn in der Neuhäuser Schlosshalle. Schon als er sich vorab beim Gesundheitsamt informierte, sei ihm gesagt worden, dass er dort garantiert nicht weggeschickt werde. Nach nicht einmal einer halben Stunde war er am Ziel: geboostert.

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