Paderborn. Ein langes Wochenende geistlicher Musik in andachtsvoller Atmosphäre bescherte die Paderborner Dommusik an ausgewählten Spielstätten, zu Hunderten strömten die Besucher durch die Innenstadt bei der Langen Nacht der Kirchen. Die Veranstaltungen unter dem Motto “Zwischenstopp“ weisen auf ein für das Jahr 2022 groß angelegtes Musikfest, internationale Musiktage am Dom (IMAD) sollen im nächsten September eine Fülle splendider Konzertereignisse bieten.
Am Freitag erklang in der Kaiserpfalz die Messe C-Dur op.86 von Ludwig van Beethoven in einer sehr gelungenen Bearbeitung für Kammerchor und Klavierquintett von Markus Gotthardt, der engagiert den Klavierpart spielte. Meisterlich agierte auch das Streichquartett der Nordwestdeutschen Philharmonie, hochkarätige Solistinnen und Solisten von Sopran bis Bass standen in der Reihe mit Damen- und Herrenstimmen der Domkantorei unter der Leitung von Domkapellmeister Thomas Berning.
In der Begrüßung der Gäste, unter ihnen Erzbischof Hans-Josef Becker, bringt er seine Freude darüber zum Ausdruck, das in der stillen Zeit des Lockdowns erarbeitete Werk endlich aufführen zu können. In großartigem Arrangement erfüllen die liturgischen Gesänge von Kyrie bis Agnus Dei den steinernen Saal, mächtig und erregend wirkt die Musik Beethovens in dieser konzertanten Spielart, erzeugt Beglückung und Zuversicht nach langer Enthaltsamkeit. Damit die starken Gesangspartien nicht unmittelbar aufeinander folgen, was Zuhörer und Sänger überfordern würde, wurden einzelne Sätze aus verschiedenen Streichquartetten Beethovens eingeschoben.
Mit Energie und Präzision bestimmen zwei Violinen, Viola und Cello das Klanggeschehen. Musik vom Instrument ins Ohr gab es schon lange nicht mehr, begeisterter Applaus lobt die gesamte Aufführung.
Carmen-Ouvertüre stimuliert das Publikum
Der Samstagabend steht im Zeichen eines Wandelkonzerts durch die Kirchen in Paderborn. Zum Auftakt besetzen die Dombläser den Aufgang zur Franziskanerkirche und ziehen die Passanten in den Bann mitreißender Musik für Blechblasinstrumente. Fünf junge Herren mit Trompete, Posaune, Horn und Tuba spielen zünftige Stücke von Barock bis Moderne, gerade stimuliert die Carmen-Ouvertüre das Publikum und leitet zu den Orgelklängen in der Herz-Jesu-Kirche am Westerntor.
Hier spielt Sebastian Freitag im vollen Haus. Vier originelle Kompositionen aus vier Jahrhunderten zeigen im Überblick die Reichhaltigkeit der Orgelliteratur. Der Weg zurück in Richtung Dom führt an der Marktkirche und ihrem “Nightfever“ vorbei, junge Menschen an Gitarre und Keyboard musizieren, singen und laden zu Gesprächen mit Priestern ein. Die gut besuchte Kirche leuchtet in Purpur und Kerzenschein, vermittelt Ruhe und Besinnlichkeit für gestresst Eintretenden.
Eine Schlange Wartender füllt den Domplatz, um in die Gaukirche zu gelangen, hier bietet der Domchor unter Thomas Berning ein Programm bewegender Gesänge mit Orgelbegleitung von Tobias Ählig. Der vierstimmige Knabenchor besteht seit 130 Jahren, entsprechend groß ist seine Beliebtheit und so fanden einige Menschen coronabedingt keinen Einlass mehr.
Der gegenüber liegende Dom füllt sich zum letzten Abendkonzert komplett, drei Damen in Schwarz, drei Damen in Weiß bilden das Vokalensemble Sjaella aus Leipzig und präsentieren das außergewöhnliche Konzertprojekt „Origins“. Der Aufbruch der Menschheit, Elemente der Schöpfungsgeschichte, Auferstehung und endzeitliche Leerräume erhalten musikalische Gestalt in Text-, Ton- und Klangsequenzen. Die hochspezialisierten Damen, vermutlich mit absolutem Gehör, senden Töne aus, die durch die Weiten schweben, es folgen sophistisch arrangierte Lieder in gedehntem Zeitmaß von Henry Lawes und Henry Purcell, vermischt mit Klangmalereien im Stil amerikanischer Minimal Music. Instrumentale Tonerzeugung mit feuchten Fingern auf dem Rand von Wassergläsern ergänzen die Damenstimmen zu gleitenden Schwebungen, harten Dissonanzen und grollenden Szenarien, perfekte Intonation durchdringt die atemlose Stille, die letzten Töne verklingen sanft im Dom und erheben das Gemüt. Der Beifall schwillt und führt zurück in die geräuschvolle Wirklichkeit, der lange Abend endet mit Blick auf weitere Kostbarkeiten der Dommusik.