Catcalling: "Guck mich an, wenn ich dir Komplimente gebe, du Schlampe!"

Paderborn. Er pfiff mir nach. Als ich keine Reaktion zeigte: "Guck mich an, wenn ich dir Komplimente gebe, du Schlampe!" Diesen Spruch hat Carlotta Holtey auf der Rosenstraße in der Paderborner Innenstadt angekreidet. Seit April dieses Jahres prangert sie "Catcalling" öffentlich an und macht damit auf die alltägliche Belästigung von Frauen aufmerksam. Unter "Catcalling" wird die verbale, sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum verstanden. In Deutschland ist das bislang noch kein eigener Straftatbestand. "Das merkt man auch", erzählt die 17-Jährige, während sie die ersten Wörter mit bunter Kreide auf den Boden malt. Als sie gemeinsam mit einer Freundin durch die Stadt vom Schulsport zurück zur Schule gelaufen sei, habe ein fremder Mann ihre Freundin angesprochen. Er habe gefragt, ob sie im Sommer anstelle der Leggings einen Minirock tragen würde. Dann würde er noch einmal wiederkommen, um sie zu treffen. Carlottas Freundin machte der Fremde Angst, sie nahm die Situation mit. "Ich habe dann bei der Polizei angerufen. Der Beamte fand die Geschichte ziemlich lächerlich und hat uns überhaupt nicht ernst genommen." Weltweite Bewegung Carlotta bringt diese Situation jedoch zum Nachdenken. Sie möchte auf das Problem aufmerksam machen. Nicht nur ihrer Freundin zuliebe, sondern weil sie selbst schon viele solcher Situationen erlebt hat. Durch ihre Schwester erfährt sie von der Catcalling-Bewegung. Junge Menschen auf der ganzen Welt schreiben die Anmachsprüche mit Kreide auf die Straße. Und zwar genau dort, wo es passiert ist. Die Fotos teilen sie meist in den sozialen Netzwerken, allen voran auf Instagram. Da es in Paderborn noch keine Gruppierung gab, hat sie eine ins Leben gerufen. Mittlerweile hat ihr Instagram-Kanal knapp 600 Abonnenten. Mehrmals im Monat zieht sie nun mit bunter Straßenkreide durch die Stadt und kreidet die Belästigung an. Immer mehr Frauen und Mädchen schreiben ihr Nachrichten und berichten von ihren Erfahrungen. Carlotta schreibt ihnen zurück, lässt sich die Situation schildern und kreiert daraus eine Kurzfassung für die Straße. "Teilweise werden mir schon Erlebnisse geschildert, die überhaupt nichts mehr mit Catcalling zu tun haben", erzählt sie. Sie hält inne. Mehr als Catcalling Die heftigste Geschichte sei die einer Frau gewesen, die ihr von einer Vergewaltigung berichtet habe. Obwohl sie den Mann gekannt habe, habe sie keine Anzeige erstattet, weil sie mit der Situation nicht zurecht kam, traumatisiert war. Carlotta hat sie erzählt, sie wollen nun professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Während Carlotta weitere Buchstaben auf das Pflaster malt, bleiben viele Menschen stehen und lesen sich ihre Botschaft durch. Eine junge Frau lobt ihr Engagement: "Ich finde es richtig gut, dass du das machst", sagt sie und reckt den Daumen. Auch bei einem älteren Ehepaar sorgt die Botschaft beim Weitergehen für Gesprächsstoff. "Wenn die ersten Personen sich das durchlesen, kommen meist immer mehr", erzählt sie. Wenn Fragen auftauchen würden, würde sie die gerne beantworten und erklären, warum sie das mache. Auch in ihrem Freundeskreis habe das Thema schon zum Nachdenken angeregt. "Ein Freund von mir hat erzählt, dass er früher auch Mädels Sprüche hinterhergerufen hat. Aber jetzt ist ihm bewusst geworden, dass das weder richtig noch ein tolles Kompliment war", berichtet sie. Er wolle das in Zukunft lassen. Typische Reaktion Carlotta fettet die letzten Buchstaben, fertig ist ihr neuer Beitrag. Die Reaktion des Mannes sei ganz typisch. "Männer werden häufig ausfallend und beleidigend, wenn Frauen nicht auf einen Spruch oder das Hinterherpfeifen reagieren", betont sie. Jetzt fehlt nur noch das Foto für ihren Instagram-Kanal. Gemeinsam mit der anonymisierten Nachricht, die die Situation schildert, veröffentlicht sie den Spruch - und trägt dazu bei, dass die verbale Belästigung nicht mehr ein unausgesprochener Teil des Alltags bleibt. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Catcalls of Paderborn (@catcallsofpbnrw)

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